Mode?

Mode?

Kritischer Konsum

Als Museum für angewandte Kunst widmet sich das MAK in Wien nicht nur der Sammlung von Textilien und der Geschichte der Mode, sondern auch der kritischen Auseinandersetzung mit den Auswüchsen der Textil- und Modeindustrie. Mit der Ausstellung “Critical Consumption” soll ein Beitrag dazu geleistet werden, den kritischen Blick auf diesen “Bereich, der wie kein zweiter für Konsum, den ständigen Wunsch nach Neuem und für schnellen Wandel steht”, den Massenkonsum und seine Folgen, zu richten.

„Weder ist die Mode ein rein neuzeitliches oder modernes Phänomen noch ein reines Nebenprodukt des Kapitalismus, doch die Geschichte des kapitalistischen Handels- und Produktionsbedingungen sowie die sich wandelnden Konsummuster haben jener Form von Mode (-industrie) geführt, die wir heute kennen.“ (Ausstellungstext MAK)

Sylvie Fleury, Acne, 2014 Courtesy Galerie Mehdi Chouakri © Gunnar Meier, Schweiz

Bei der Beschäftigung mit der Geschichte der Mode soll nicht vergessen werden, dass die breite Bevölkerung ihr Garn, ihre Stoffe und oft auch ihre Kleidung für den eigenen Gebrauch bis ins 18. Jahrhundert selbst anfertigte. Noch bis ins 20. Jahrhundert, wurde Kleidung, dann schon mit zugekauften Stoffen, von Frauen meist zu Hause angefertigt, repariert und wiederverwendet.

Anonym, Stopfmustertuch mit eingesticktem Monogramm, 19. Jh. © MAK/Branislav Djordjevic

Der Modekonsum setzte im Globalen Norden ab dem 18. Jahrhundert ein. Wobei nicht vergessen werden darf, dass dieser dem Adel vorbehalten war, später dann den durch den Handel mit den Kolonien wohlhabend gewordenen Handelsherren, für die Kleidung Prestige- und Repräsentationsobjekt war, und erst im 19. Jahrhundert auch für das Bürgertum.

Die Grundlagen für das Entstehen des Modekonsums waren vielfältig, wie die Lockerung der bis dahin für alle Stände geltenden Kleidungsvorschriften, billige Rohstoffe aus den Kolonien und die ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts fortschreitende Mechanisierung des Spinnens und Webens. 1805 wurde der lochkartengesteuerte Jacquard-Webstuhl entwickelt, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Stickmaschine und die Nähmaschine, deren Verwendung sich ab der Mitte des 19. Jahrhundert durchsetzte. Ein wesentlicher Aspekt waren auch die billigen Arbeitskräfte. Gleichzeitig eröffneten sich durch die Eisenbahn neue und schnellere Transportmöglichkeiten für die erzeugten Güter.

Anonym, abgepasste Seidenstickerei (Halbfabrikat) für eine weiße Herrenweste mit polychromem Blumenmuster, 1780–1800 © MAK/Branislav Djordjevic

Bereits damals hatte die zunehmende Industrialisierung gravierende Auswirkungen auf die arbeitende Bevölkerung: Einerseits kam es zu einer Verarmung der Weber, die die Stoffe im Rahmen des sog. “Verlagswesens” bisher in Hausarbeit erzeugt hatten. D.h. sie erhielten von Händlern die Rohmaterialien aus denen sie und ihre Familien für wenig Lohn die Stoffe webten, die dann wieder von den Händlern übernommen und verkauft wurden.

Andererseits waren die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie katastrophal. Arbeitstage von 14-16 Stunden an sieben Tagen in der Woche, Kinderarbeit, geringer Lohn, kein Schutz vor Gefahren bei der Produktion (z.B. mechanische Webstühle, Chemikalien), keine Absicherung bei Krankheit oder Unfall, kein Mutterschutz. Es ist daher kein Zufall, dass der erste Frauenstreik in der österreich-ungarischen Monarchie 1893 von einer Textilfabrik in Wien-Gumpendorf ausgegangen ist.

Die Förderung des individuellen Konsums sollte der Ankurbelung der Wirtschaft dienen. Dieser wurde besonders ab der Mitte im 19. Jahrhunderts durch das Entstehen von Kaufhäusern, Einkaufstraßen, Zeitschriften und Werbung für Modeartikel vorangetrieben. In Wien entstanden gegen Ende des 19. Jahrhunderts am Stephansplatz, in der Kärntner- und Mariahilfer Straße Warenhäuser.

Kaufhaus Herzmansky-Teil der alten Fassade, Stiftgasse. Foto: E. Kolbry

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Modeindustrie durch die Propagierung saisonaler Modetrends durch Werbung, die zunehmend auf das Medium Fotografie zurückgriff, und die Entwicklung von normierten Kleidergrößen angekurbelt.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, durch den wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegszeit, mit zunehmendem Wohlstand, durch das neue Medium des Fernsehens und den massiven Einsatz von Werbung erfolgte das Einsetzen des Massenkonsums im Bereich der Mode.

Mit der sogenannten „Fast Fashion“, einem ständigen Angebot an neuer Mode zu sehr niedrigen Preisen, setzte sich ab den 1980er Jahren, ein bedenklicher Trend durch, der durch Werbeindustie, Internet, social Media und InfluencerInnen wesentlich gefördert wurde und wird.

Die niedrigen Preise der Textilien und die trotzdem hohen Gewinne der Hersteller sind nur durch die Ausbeutung der Arbeitskräfte in der Textilindustrie und die Vernachlässigung von Umweltschutzmaßnahmen möglich. Unter 2% (!) der weltweit in der Bekleidungsindustrie Beschäftigten verdienen einen existenzsichernden Lohn, die Arbeit erfolgt vor allem im globalen Süden unter katastrophalen Arbeitsbedingungen.

Die Textilindustrie zählt heute weltweit zu den zwei größten ‚Umweltverschmutzern‘: Sie ist global betrachtet für ca. 10 % der CO2-Emissionen und ca. 20% der Wasserverschmutzung verantwortlich.

The Nest Collective, Return to Sender, 2022 © The Nest Collective

Zur Veranschaulichung: Um ein einziges Baumwoll-T-Shirt herzustellen, braucht es schätzungsweise 2.700 Liter Süßwasser; das entspricht der Menge Wasser, die eine Person in 2,5 Jahren trinkt. Rund 20 % der weltweiten Wasserverschmutzung wird durch die Färbung und Veredelung von Textilien im Rahmen ihrer Herstellung verursacht. Vertrieb und Einzelhandel sind für Transportemissionen und Verpackungsabfälle verantwortlich. Letztlich landet jede Sekunde (!) eine LKW-Ladung an Kleidung in Müllverbrennungsanlagen oder auf Deponien. Nur 1 % wird zu neuer Kleidung recycelt (Europäische Umweltagentur – European Environment Agency – EEA).

Es wird große Anstrengungen in vielen Bereichen brauchen, um diese Situation zu verändern: von neuen Technologien, die das Recycling von Materialien ermöglichen, der Einführung langlebiger und umweltfreundlicher Materialien zur Verbesserung der Haltbarkeit von Textilprodukten und von zeitlosem Design, gesetzlichen Regelungen für die getrennte Sammlung von Textilien, gerechtem Lohn und veränderte, menschenwürdige Arbeitsbedingungen einschließlich sozialem Schutz für die Beschäftigten in der Textilindustrie im Globalen Süden, bis hin zu einem Umdenken der VerbraucherInnen.

Die Ausstellung zeigt die historischen Entwicklungen und “plädiert dafür, verantwortungsvolles Konsumieren als ‘Konsumrevolution’ und nicht als vergänglichen Trend zu denken.” (Ausstellungstext MAK)

Die Ausstellung “Critical Consumption” ist noch bis 8. September 2024 im Museum für angewandte Kunst zu sehen!

Adresse: MAK- Museum für angewandte Kunst, Stubenring 5, 1010 Wien https://www.mak.at/besuch

Öffnungszeiten: Dienstag 10:00-21:00 Uhr, Mittwoch-Sonntag 10:00-18:00 Uhr

Link: Europäische Umweltagentur – European Environment Agency – EEA https://www.eea.europa.eu/de

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