Winter in Wien
Von der Veränderung einer Jahreszeit
Die Zeit, in der wir leben, unsere Vergangenheit und Zukunft, wurden und werden auch durch das Klima wesentlich beeinflusst. Die Ausstellung des Wien Museums „Winter in Wien“ erzählt fundiert und anhand von unterschiedlichen Themen und Ausstellungsstücken von einer Jahreszeit, die sich durch den Klimawandel stark verändert hat und in Wien zunehmend verschwindet.
Die Ausstellung gibt in den vier Bereichen Weiße Pracht, Kalte Stadt, Eisiges Vergnügen und Dunkle Jahreszeit einen sehr differenzierten Einblick in dieses Thema. Dabei werden ein Einblick in verschiedene Facetten der Geschichte des Winters und seinen unterschiedlichen Auswirkungen auf die Bevölkerung und das Leben in der Stadt gegeben, die Veränderungen dieser Jahreszeit und ein Ausblick auf die Herausforderungen, die der Klimawandel bereits jetzt für die Stadt mit sich bringt, aufgezeigt.
Die positiven und negativen Aspekte des Winters und die enormen Unterschiede zwischen Arm und Reich und ihrer Erfahrungen von Kälte und die Herausforderungen für die Stadtverwaltung werden anhand von Kunstwerken, Fotografien, Dokumenten aber auch Alltagsobjekten und Kuriositäten dargestellt. Das Besondere an dieser Ausstellung jedoch ist die Herstellung des Bezugs zur Gegenwart und den immer milderen Wintern in Wien.
Die „Weiße Pracht“ zeigt, wie die verschneite Stadt von Kunstschaffenden über die Jahrhunderte immer wieder in ihren Werken dargestellt wurde und wie der Winter aus unterschiedlichen künstlerischen Perspektiven wahrgenommen wurde.
Eine sehr interessante Entwicklung war die Entstehung des Wintertourismus um 1900. Wien wurde damals mit Plakaten und Ansichtskarten als romantische, schneereiche Stadt und als Wintersportort beworben. Nostalgische Schneebilder gehören zwar immer noch zum Repertoire der Werbung, wobei allerdings heute Kultur und Christkindlmärkte zum Hauptgrund für den Besuch der Hauptstadt geworden sind.
Der Bereich „Kalte Stadt“ zeigt die Auswirkungen von Kälte auf die in der Stadt lebenden Menschen. Die Jahreszeit Winter hatte und hat unterschiedliche Bedeutungen und Folgen für Arme und Reiche. Für die große Anzahl der Armen bedeutete er allzu oft Hunger, Kälte, Obdachlosigkeit. Selbst jene, die ein Dach über dem Kopf hatten, konnten sich das Heizen oft nicht leisten: im Jahr 1850 waren 85% der Haushalte ungeheizt! Die Gemeinde errichtete damals für die Menschen Wärmestuben. Noch heute gibt es in der ganzen Stadt Wärmestuben und Notquartiere für Obdachlose. Mittlerweile kommen dazu im Sommer Einrichtungen, die im Sommer vor Hitze schützen, Cooling Center und Cooling-Zonen.
Ein anderer wichtiger Punkt war auch die Versorgung der Menschen in der Stadt mit Nahrungsmitteln. Diese wurden aus dem Umland oder mit dem Schiff auf der Donau geliefert. In sehr kalten Wintern, wenn die Donauarme in Wien zugefroren waren, konnten auf diesem Weg keine Waren nach Wien gelangen, ebenso schwierig war der Landweg für die Fuhrwerke. Erst in den Jahren nach 1900 wurde in der Freudenau ein eisfreier Winterhafen gebaut und damit die Versorgungslage im Winter verbessert.
Ein weiterer Aspekt des Winters war die Arbeit im Freien, von den Marktstandlerinnen, Zeitungsverkäufern, Maronibratern über die Kutscher und später die Schaffner in den offenen Wägen der Straßenbahn bis hin zu den SchneearbeiterInnen. Denn bei starken Schneefällen wurden in Wien mehr als 10.000 SchneearbeiterInnen aufgenommen. Für viele Arbeitslose war Schneeschaufeln eine traditionelle Verdienstmöglichkeit im Winter. Obwohl sich das Klima ändert, ist die Stadt Wien auch jetzt auf Schneefälle mit 280 Räum- und Streufahrzeugen und etwa 80 Spezialfahrzeugen gut vorbereitet.
Der Winter war seit je eine Zeit von verschiedenen Vergnügungen, denen unter dem Titel „Eisiges Vergnügen“ ein eigener Ausstellungsbereich gewidmet ist. Dazu gehörten Spaziergänge, Schneeballschlachten, Schlittenfahrten, Rodeln, Eislaufen oder Schifahren. Es gab Schipisten mit Liften, sogar eine Sprungschanze und städtische Rodelstraßen und Eislaufplätze. Während es Eislaufplätze, mittlerweile auch rund um Christkindlmärkte speziell angelegte Eislaufplätze mit Kunsteis immer noch gibt, sind Wintersporterlebnisse mit Naturschnee in Wien kaum mehr möglich; der Schlepplift auf die Hohe-Wand Wiese steht seit 2017 still.
Der Themenbereich „Dunkle Stadt“ zeigt eine zunehmend heller werdende Stadt, die heute mit „Lichtverschmutzung“ zu kämpfen hat, das Licht aber durch Weihnachtsbeleuchtung und Lichtinstallationen auch gezielt nutzt.
Begleitet werden die Themenbereiche durch anschauliche Darstellungen des Ansteigens der Temperaturen. In Wien begann die Temperaturmessung 1775. Ab 1851 erfolgte diese durch die damals gegründete Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, dem ersten Wetterdienst mit flächendeckendem Messnetzwerk, und seit 2023 durch ihre Nachfolgeorganisation GeoSphereAustria.
Die Temperaturmessungen zeigen seit Ende des 19. Jahrhunderts einen stetigen Anstieg der Temperaturen, besonders jedoch seit den 1970er-Jahren. 1987, war der letzte Winter mit tagelangen Schneefällen, 2012 waren im Osten Österreichs (bis jetzt) zum letzten Mal weiße Weihnachten. Die wärmsten Jahre seit Beginn der Messung 1775 lagen alle nach 2000; das Jahr 2023 war bislang das wärmste Jahr der Wiener Messgeschichte. Wiens ältestes Wetterhäuschen, das seit 1881 die Temperatur anzeigt, steht übrigens im Stadtpark.
Ein Beispiel, das sich durch die gesamte Ausstellung zieht, sind die 500.000 Bäume In Parks, Alleen und an Straßenrändern, die das Stadtbild Wiens prägen. Jährlich werden 4.500 neue Bäume gepflanzt. Der Anstieg der Temperatur in den letzten 50 Jahren um 3 in Wien bedeutet auch für Bäume einen Stresstest: so werden Rosskastanie ebenso wie Spitz- und Bergahorn und die Winterlinde zunehmend aus dem Stadtbild verschwinden und Ulme und Zelkove (asiatische Ulmenart) zunehmend das Straßenbild prägen, die Ahornbäume durch andere Ahornarten und den europäischen Zügelbaum ersetzt werden. Auch der Schnurbaum gilt als „Zukunftsbaum“ für Wien.
Dieser von Lisa Noggler-Gürtler hervorragend kuratierten Ausstellung gelingt es, ausgehend von einem Blick in die Vergangenheit die Auswirkungen des Klimawandels, wie wir sie heute schon erfahren, eindrücklich zu vermitteln. Sie ist ein Musterbeispiel für die anschauliche und begreifbare Darstellung des Themas, die sowohl die Veränderungen dieser Jahreszeit und deren Folgen als auch mit einem positiven Blick in die Zukunft die Suche nach Lösungen und deren Umsetzung aufzeigt.
Die zur Ausstellung erschienene begleitende Publikation von Astrid Göttche und Hans-Peter Hutter mit dem Titel „Klima wandelt Wien“ bietet allen an der Geschichte und Gegenwart Wiens und die Zusammenhänge des Klimawandels mit der Weiterentwicklung der Stadt Interessierten eine Vielzahl an Informationen.
Die Ausstellung ist noch bis 16. März 2025 im Wien Museum zu sehen!
Adresse: Wien Museum, Karlsplatz 8, 1040 Wien https://www.wienmuseum.at/
Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch Freitag 09:00-18:00 Uhr, Donnertag 09:00-21:00 Uhr, Samstag und Sonntag 10:00-18:00 Uhr
Publikation zur Ausstellung: Astrid Göttche, Hans-Peter Hutter, Klima wandelt Wien. Rück- und Ausblicke auf unser Stadtleben. Leykam Verlag Graz-Wien-Berlin 2024 https://www.leykamverlag.at/produkt/klima-wandelt-wien/