Gleichstellungsindex 2022

Gleichstellungsindex 2022

Rückschritt statt Fortschritt?

Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen – EIGE (European Institute for Gender Equality) hat letzte Woche den Gleichstellungsindex 2022 veröffentlicht. Der Gleichstellungsindex erhebt und untersucht auf wissenschaftlicher Grundlage Daten aus den Bereichen Macht, Zeit (Hausarbeit und Betreuungstätigkeiten) Wissen, Gesundheit, Geld und Arbeit. Ziel ist, damit zu einem besseren Verständnis für die Situation der Frauen beizutragen und Daten für notwendige politische Maßnahmen für die Europäische Union und die einzelnen Mitgliedsstaaten zu liefern.

Der Gleichstellungsindex 2022 bezieht sich hauptsächlich auf Daten aus dem ersten Pandemiejahr 2020 und zeigt erstmals seit 2010 rückläufige Werte in einigen entscheidenden Bereichen: Beteiligung am Erwerbsleben, Bildungsbeteiligung, Gesundheitszustand und Zugang zur Gesundheitsversorgung.

Der seit dem Jahr seit dem Jahr 2010 erzielte geringe Zuwachs von 5.5 Punkten auf derzeit 68.6 von 100 Punkten wäre aufgrund der Auswirkungen der Covid 19-Pandemie insgesamt gesunken, hätte es nicht durch in einigen EU-Mitgliedsländern gesetzlich eingeführte Quotenregelungen eine gestiegene Beteiligung von Frauen an wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen gegeben. Trotzdem sind Frauen nach wie vor im politischen Leben und in Entscheidungspositionen im wirtschaftlichen Leben unterrepräsentiert. Auch während der Covid-19 Pandemie wurden die Entscheidungen überwiegend von Männern getroffen.

Der Bereich “Wissen” gehört zu jenen Bereichen, die von der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern am meisten betroffenen sind. Seit 2010 ist in diesem Bereich nur eine geringfügige Verbesserung zu verzeichnen und erstmals seit 2020 ist die Teilhabe von Frauen an formaler und informeller Bildung und Ausbildung gesunken. Besonders ältere Frauen und Frauen mit geringer Bildung waren durch die Umstellung auf online-Lernen während der Pandemie benachteiligt, da sie weiteraus geringere digitale Kompetenzen aufweisen als Männer.

Obwohl im Bereich der Gesundheit leichte Verbesserungen zu verzeichnen sind, wurde während der Covid-19 Pandemie eine Zunahme an geschlechtsspezifischen Ungleichheiten beim Zugang zu Gesundheitseinrichtungen festgestellt. Noch immer nicht ausreichend Datenmaterial steht für die Bewertung des Ausmaßes an Gewalt gegen Frauen zur Verfügung. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass junge Frauen mehr von Cybermobbing und psychischer Gewalt betroffen sind, jedoch ältere Frauen durch die Kumulierung von lebenslanger Ungleichheit und ökonomischer Abhängigkeit besonders anfällig für Gewalt sind (vergl. Gender Equaltity Index 2022, S. 58)

Fortschritte im Bereich der Arbeitswelt sind ins Stocken geraten. Der Bereich “Geld” zeigt weiterhin die lebenslangen Ungleichheiten von bei Verdienst und Einkommen von Männern und Frauen. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Armutsgefährdung und der Einkommensverteilung zwischen Frauen und Männern sind gleich geblieben. Die größten Unterschiede sind dabei aufgrund von lebenslangen Ungleichheiten im Arbeitsleben bei den Einkommen von Frauen und Männern im Alter von über 65 Jahren festzustellen. Dazu wird im Bericht festgehalten, dass die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, die sich im Bereich des Geldes zeigen, das sichtbare Ergebnis weitreichender Ungleichheiten in anderen Lebensbereichen sind, wie beispielsweise ungleicher Zugang zu hochwertiger Vollzeitbeschäftigung, Ausbildung, Entscheidungsfindung und sozialer Absicherung sowie unzureichender Zugang zu Unterstützung im Bereich der Kindebetreuung und Pflege (vergl. Gender Equalitity Index 2022, S. 29)

Der Bereich “Zeit”, der die Themen Hausarbeit Kinderbetreuung, Pflege und Langzeitpflege umfasst, zeigt insgesamt einen negativen Trend, insbesondere der Unterschied bei der Teilhabe an sozialen Aktivitäten hat sich vergrößert.

Im Jahr 2021 gab fast jede dritte Frau, überproportionale Belastung durch unbezahlte Betreuungsarbeit als Grund dafür an, dass sie nicht erwerbstätig ist, verglichen mit 9 % der Männer (Eurostat, 2022b). Im Jahr 2020 arbeitete jede vierte Frau (26 %) aufgrund von Betreuungsaufgaben Teilzeit, im Gegensatz zu 6 % der Männer (EU-LFS, lfsa_engar). (vergl. EIGE, 2021f, zitiert nach Gender Equalitity Index 2022, S. 41).

Untersuchungen des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen haben gezeigt, dass die Belastung durch unbezahlte Arbeit im Haushalt, in Kinderbetreuung und Pflege eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles spielt, indem sie die Beschäftigung und den beruflichen Aufstieg von Frauen einschränkt und sie in die Teilzeitarbeit in bestimmten Arbeitsbereichen drängt (vergl. Gender Equalitity Index 2022, S. 29).

In den Schlussfolgerungen des Berichts wird festgehalten, dass die zunehmenden geschlechtsspezifischen Unterschiede darauf hinweisen, dass die Pandemie unterschiedliche und schwerwiegende Auswirkungen auf das wirtschaftliche und soziale Wohlergehen von Frauen und Männern hat, wodurch bestehende Ungleichheiten verschärft und benachteiligte Gruppen, vor allem Menschen mit geringer Bildung, Migrationshintergrund und ältere Menschen, weiter gefährdet werden (vergl. Gender Equality Index 2022, S. 102).

Link: https://eige.europa.eu/publications/gender-equality-index-2022-covid-19-pandemic-and-care

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