Gemalte Zeitdokumente
Jakob, Franz und Rudolf Alt
Die Albertina zeigt derzeit Meisterwerke von Jakob Alt und seinen Söhnen Franz Alt und Rudolf von Alt, einer Malerfamilie, die die Kunst von der Zeit des Biedermeier um 1815 bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts als Vertreter des Realismus mitgeprägt und den Bereich der Aquarellmalerei durch ihre Höchstleistungen wesentlich weiterentwickelt hat.
Jakob Alt ( 1789-1872), stammte aus Frankfurt am Main, wo er aufwuchs und seinen ersten Kunstunterricht bei einem Miniaturmaler erhielt. Im Jahr 1810 kam er nach Wien, wo er nach seiner Heirat 1811 mit druckgrafischen Serien von Stadtansichten und Landschaftsbildern den Unterhalt für seine Familie sicherte. Bereits 1813 erhielt er vom angesehenen Kunstverlag Artaria den Auftrag zur Erstellung einer eigenen Serie über “Malerische und merkwürdige Ansichten der verschiedenen Provinzen der österreichischen Monarchie und der benachbarten Länder”, es folgten Bilder über die schönsten Alpengegenden, Lithographien mit Ansichten der Donau, des Salzkammergutes, Oberitaliens und Roms. Um 1828 begann die Zusammenarbeit mit seinem 1812 geborenen Sohn Rudolf.
Rudolf (1812-1905) und sein jüngerer Bruder Franz (1821-1914) wurden von ihrem Vater Jakob Alt unterrichtet und besuchten beide die k.k. Academie der vereinigten bildenden Künste, die Vorläuferin der Hochschule für bildende Kunst in Wien.
Franz Alt arbeitete ab 1844 als selbständiger Künstler, der als sich als Vedutenmaler großes Ansehen erwarb. Als Vedute bezeichnet man die wirklichkeitsgetreue Darstellung einer Landschaft oder eines Stadtbildes durch Bilder oder Grafiken. Die Ausstellung in der Albertina präsentiert erstmals die von ihm für die Weltausstellung 1873 geschaffenen Werke, in denen er die städtebauliche Entwicklung Wiens durch die Gegenüberstellung von Ansichten vor und nach der Bautätigkeit zeigt. Mit diesen Bildern veranschaulicht er meisterhaft und nachvollziehbar die grundlegende Veränderung der Stadt zu dieser Zeit.
Jakob, Franz und Rudolf Alt waren wesentliche Vertreter des Realismus im 19. Jahrhundert, der sich durch eine präzise und detailgetreue Wiedergabe von Städteansichten und Landschaften unter Einbeziehung der wechselnden Lichtverhältnisse auszeichnete.
Man muss sich vergegenwärtigen, dass diese Zeichnungen, Lithograhien, Aquarelle und Ölbilder in der Zeit vor der Entwicklung der Fotografie und noch lange Zeit nach dem Entstehen der schwarz-weiß-Fotografie den Blick auf die Länder der Monarchie und Europas eröffneten und nachhaltig prägten.
Die Zusammenarbeit von Jakob Alt und seinem Sohn Rudolf war ab 1830 bis 1844 durch die gemeinsame Arbeit an den für Kaiser Ferdinand I. angefertigten sog. “Guckkastenbildern” und die dafür unternommenen Reisen nach Italien und Dalmatien geprägt. In den “Guckkastenbildern”, die deswegen so genannt werden, weil sie tatsächlich für die Betrachtung durch einen Guckkasten gedacht waren, wurden die schönsten Plätze der österreichischen Monarchie und der angrenzenden Länder dargestellt: 170 der insgesamt 302 Bilder stammen von Jakob und Rudolf Alt.
Nachdem Rudolf die letzten Aquarelle für diese Serie abgeliefert hatte, endete die künstlerische Zusammenarbeit mit seinem Vater. Mit ihren Arbeiten waren sowohl Jakob als auch Rudolf zentral für die Weiterentwicklung der Aquarellmalerei.
In den Jahren nach der Revolution von 1848 herrschten in der Monarchie restriktive Reisebestimmungen. Dies ist ein Grund dafür, dass sich Rudolf in den 1850er Jahren zunehmend der Malerei von Innenräumen in Schlössern, Palais und Bürgerhäusern widmete. Diese sog. “Interieurs” dienten der Erinnerung und der Repräsentation und sind heute wichtige Zeugnisse der Wohnkultur dieser Zeit.
Zur Überwindung einer künstlerischen Krise unternahm Rudolf ausgedehnte Studienreisen in Europa, nach Deutschland, Italien und auf die Krim. Seine Reisetätigkeit setzte er bis 1886 fort, danach verbrachte er seine Sommermonate in Gastein und Goisern.
1861 wurde er Mitglied der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens und 1873 deren Präsident. 1876 nahm er an der Pariser Weltausstellung teil. Im Jahr 1879 wurde er Professor in der Wiener Akademie, deren Mitglied er seit 1848 war. 1897 trat er aus der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens aus und wurde Gründungsmitglied und später Ehrenpräsident der Wiener Secession. Im gleichen Jahr erfolgte auch die Erhebung in den Adelsstand.
Rudolf von Alt hat nicht nur seit seinem 15. Lebensjahr bis zu seinem 93. Lebensjahr gemalt, sondern sein ganzes Leben lang, auch noch im höheren Alter, immer wieder nach neuen, verfeinerten Ausdrucksmöglichkeiten gesucht. Als das Reisen zu beschwerlich wurde, hat er seine Bildinhalte auf die nähere Umgebung ausgerichtet: den Blick von seiner Unterkunft auf die Umgebung. Selbst als er in den letzten Lebensjahren seine Wohnung in Wien nicht mehr verlassen konnte, hat er in seinen Aquarellen dargestellt, was er aus seinem Arbeitszimmer sehen konnte. Entstanden sind dabei die berühmten Bilder der Eisengießerei Kitschelt, die zeigen, wie sehr sich seine Malweise bereits in Richtung Impressionismus weiterentwickelte.
Er war einer der bekanntesten Künstler des 19. Jahrhunderts und hat über 1000 Aquarelle und 150 Ölgemälde geschaffen. Tatsächlich wird davon ausgegangen, dass er über 5000 Werke geschaffen hat: Fürs zählen sei keine Zeit gewesen, hat Rudolf von Alt einmal selbst gesagt.
Die in der Ausstellung gezeigten 90 Werke sind in mehrerer Hinsicht sehenswert: als Zeitdokumente, Dokumente der Entwicklung Wiens im 19. Jahrhunderts, Zeugnisse der Wohnkultur, den Blick auf die Welt prägende Landschaftsbilder und Zeugnisse der Entwicklung und Perfektionierung der Aquarellmalerei.
Die Ausstellung ist noch bis 29. Jänner 2023 in der Albertina zu sehen!
Adresse: Albertina, Albertinaplatz 1, 1010 Wien https://www.albertina.at/
Öffnungszeiten: tägl. 10:00-18:00 Uhr; Dienstag und Freitag 10:00-21:00 Uhr
Für alle, die die Ausstellung nicht besuchen können:
Bilder von Rudolf von Alt (1:25 min): https://www.youtube.com/watch?v=Wq8P-Q3rns4
Bilder von Rudolf von Alt (11:15 min): https://www.youtube.com/watch?v=kZUGce6sMms