VR-Technologie
Einsatz von Virtual Reality Technologie im Pflegeheim
Was Anwendung und das Verständnis neuer Technologien betrifft, so stellen sie uns immer wieder vor Herausforderungen, trotzdem und deswegen ist es sinnvoll, sich genauer mit ihren Einsatzmöglichkeiten zu befassen.
Was ist eigentlich Virtual Reality (abgekürzt: VR)? Unter Virtual Reality versteht man eine mit Unterstützung von spezieller Hard- und Software hergestellte Wirklichkeit, die den Menschen das Gefühl gibt, sich tatsächlich in der computergenerierten Umgebung zu befinden. Um in diese Wirklichkeit eintauchen zu können, sind sowohl eine spezielle VR-Brille (Hardware) als auch entsprechende Software (Programme) notwendig.
Erste Experimente dafür gab es bereits während des Ersten Weltkriegs, als erstmals Flugsimulatoren zur Ausbildung von Piloten zum Einsatz kamen. Seit damals wurde diese Entwicklung sowohl im militärisch-technischen Bereich als auch in der Filmbranche stetig vorangetrieben. Heute bietet die VR-Technologie bereits eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten: im Bildungsbereich als interaktives Lernfeld, das praxisnahes Üben erlaubt, z.B. in einem virtuellen Operationsraum. Im Gesundheitswesen kommt diese Technologie z.B. bereits bei der Rehabilitation nach Schlaganfällen zum Einsatz. In der Industrie spielt sie mittlerweile eine wichtige Rolle, beispielsweise im Ingenieurwesen für Design- und Konstruktionsprozesse von Bauvorhaben und im Bereich der Entwicklung in der Automobilbranche. Bei der privaten Nutzung sind es vor allem Spiele, Videos mit 360 Grad Sicht, Dokumentationen über Städte, Regionen, Tierwelten oder virtuelle Rundgänge durch Museen.
Mit diesem Beitrag möchte ich eine wissenschaftliche Arbeit und deren Ergebnisse zum Thema Einsatzmöglichkeiten der VR-Technologie im Bereich der Pflege vorstellen. Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit an der Fachhochschule Burgenland, Masterstudiengang Digitale Medien und Kommunikation, hat Larissa Potakowskyj die “Potentiale für den Einsatz von VR-Technologie in den Pflegeeinrichtungen zur Förderung der Lebensqualität von Seniorinnen und Senioren” im Jahr 2023 untersucht und die Forschungsergebnisse vorgestellt.
Ausgehend davon, dass neue Technologien mittlerweile ein Schlüsselfaktor für die Inklusion und Partizipation älterer, mobil eingeschränkter Menschen sind, da sie eine aktive Teilnahme am Leben ermöglichen, die ohne sie nicht mehr möglich wäre, und wie dies ihre Lebensqualität verbessert, hat sie den Einsatz der VR-Technologie für virtuelle Ausflüge und dessen Wirkungen in einem Pflegeheim, dem Case Pflegeheim Baden (Marienheim) fünf Wochen mit 12 TeilnehmerInnen im Alter von 75 bis 98 Jahren erprobt.
Dabei hat sie eine Kombination von Erhebungsmethoden gewählt, wobei die zentrale Methode das Experiment war, das durch Befragungen der Teilnehmenden und Beobachtung ergänzt wurde. Die TeilnehmerInnen waren in der Pflegeeinrichtung wohnende SeniorInnen, die noch aktiv waren, sich freiwillig für die Teilnahme meldeten und die Fragen bewusst und reflektiert beantworten konnten.
Zum zielgruppengerechten Einsatz der VR-Technologie hält Larissa Potakowskyj fest, dass diese Angebote speziell an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Endnutzerinnen angepasst werden müssen und es eine sehr verantwortungsvolle und herausfordernde Aufgabe ist, diese Zielgruppe in die digitale Welt einzuführen und zu begleiten. “Grundsätzlich sind für Personen, die den Einsatz von VR-Brillen bei SeniorInnen begleiten bzw. anleiten, neben einem entsprechenden Fachwissen auch didaktische Fähigkeiten sowie Offenheit und Empathie notwendig.”
Da die VR-Brillen sowohl von den teilnehmenden SeniorInnen als auch von einer Person des Pflegepersonals gesteuert wurden, war es vorrangig, dem Personal der Pflegeeinrichtung das Forschungsvorhaben und die VR-Brillen und deren Bedienung vorzustellen.
In der Folge wurden seitens der Pädagogin des Pflegeheimes die virtuellen Ausflüge einmal pro Woche als fixer Programmpunkt in den Alltag integriert. Die 12 Teilnehmerinnen (8 Frauen und 4 Männer) konnten fünf Wochen lang in Einzel- und Gruppensettings regelmäßig an virtuellen Ausflügen teilnehmen. Wichtig dabei war, dass die Auswahl der Ausflüge aus dem Angebot durch die TeilnehmerInnen selbst erfolgte, sie ihre “Ausflugsziele” selbst bestimmen konnten.
Diese Ausflüge führten sie in das Café Landtmann, in den Tierpark Herberstein, auf den Schneeberg, nach Graz, Hallstatt, zu den Krimmler Wasserfällen, an den Wolfgangsee, den Millstätter See, den Achensee, Bregenz, bis an den Gardasee, nach Venedig und Caorle, zu einer Weinlese und zu einem Besuch bei Hundewelpen.
Die Autorin hält dazu fest: “Der Großteil der Teilnehmenden ist von Anfang an begeistert und beeindruckt. Auch diejenigen, die anfangs zurückhaltend reagierten, zeigten sich am Ende des Experiments fasziniert und positiv gestimmt. Sie schätzen die Möglichkeiten der Abwechslung und der sozialen Kontakte (mit anderen Teilnehmenden, dem Pflegepersonal oder Angehörigen, Anm.), die im normalen Pflegealltag aufgrund fehlender Ressourcen oft zu kurz kommen.” Zudem konnten sie Ausflüge erleben, “die sie im Alltag vermissten oder aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität nicht mehr unternehmen konnten.”
Auch die Technologie wurde von den Teilnehmerinnen positiv erlebt: “Einige sprechen von einem starken Gefühl der Präsenz, als ob sie sich tatsächlich an dem virtuellen Ort befänden…Die Rundumsicht und das Gefühl, dabei zu sein, werden dabei häufig genannt.” Gleichzeitig betonten sie, dass sie sich sehr freuen würden, wenn die virtuellen Ausflüge dauerhaft in der Pflegeinrichtung angeboten werden könnten.
Die Ergebnisse zeigen, dass die durch den Einsatz von VR-Brillen und die dadurch ermöglichten Ausflüge in der Folge durch den Austausch unter den Teilnehmenden das Gemeinschaftsgefühl gesteigert wurde, die sozialen Kontakte zu anderen BewohnerInnen des Pflegeheims, aber auch zum Pflegepersonal und Angehörigen erhöht wurden, die geistige Gesundheit durch die verstärkten Anregungen und die psychische Gesundheit durch positive Emotionen, wie Vorfreude, Lebensfreude, Begeisterung, gefördert wurde.
In der Zusammenfassung der im Rahmen dieser Arbeit erzielten Forschungsergebnisse kommt Larissa Potakowskyj zu dem Schluss, “dass sich eine regelmäßige Teilnahme an virtuellen Ausflügen vorwiegend positiv auf die psychischen, sozialen und auch physischen Dimensionen auswirken kann”, wobei deren Zusammenspiel zu berücksichtigen ist.
“Die Maschine kann nur tun, was wir ihr befehlen,” hat Ada Lovelace (1815-1852), jene britische Mathematikerin, die als erste eine Anleitung für ein Computerprogramm geschrieben hat, bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gesagt. Weitergedacht bedeutet das, dass wir die Entscheidung treffen können und sollten, neue Technologien verantwortungsvoll zu unserer Unterstützung zu nutzen und im besten Sinne für die Menschen einzusetzen. Ein Weg dazu kann, wie die Ergebnisse dieser Masterarbeit zeigen, die VR-Technologie sein.