Raub und Restitution

Raub und Restitution

Die beiden zusammengehörenden und sich ergänzenden Ausstellungen im Museum Judenplatz des Jüdischen Museums Wien und im Wien Museum Karlsplatz sind weder von der behandelten Thematik noch von der Ausstellungsgestaltung her herkömmliche Ausstellungen, sondern verstehen sich als künstlerische Installation und temporäres Denkmal.

Ausstellungsplakat. Foto: EK

Grundlage dafür bildet der Umstand, dass am Wien Museum 25 Jahre Provenienzforschung betrieben wird. Nach jahrzehntelangem Schweigen über die während des Nationalsozialismus erfolgten Aneignungen und dem Abstreiten unrechtmäßiger Übernahmen, wurde in Wien erst im Jahr 1999 aufgrund eines Beschlusses des Wiener Gemeinderats mit der systematischen Erforschung der Herkunft betreffend von den Sammlungen befindlichen und der Rückgabe von unrechtmäßig erworbenen Kunst- und Kulturgütern begonnen.

Da die Wiener Museen als eigene Magistratsabteilung Teil der nationalsozialistischen Stadtverwaltung und Museum des Reichsgaues Wien waren, konnten die nationalsozialistischen Machthaber direkt in die Museums- und Einkaufspolitik eingreifen. Die Ausstellung zeigt die verschiedenen Wege, wie aus diesem Raubzug Kunst- und Kulturgüter in das Wien Museum und seine verschiedenen Sammlungen gelangt sind.

Anhand von 12 Fallbeispielen werden in dieser Ausstellung die Folgen der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich, die Machtübernahme der Nationalsozialisten und die damit einhergehende Entrechtung, Verfolgung, Vertreibung oder Ermordung der jüdischen Bevölkerung Wiens durch verschiedene Organisationen und auch von Privatleuten.

Nachdem es 1938 besonders in Wie zu ungeregelten wilden Arisierungen und Raubzügen gekommen war, erfolgte nach der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich eine systematische Beraubung der damals unter den Nürnberger Gesetzen als Juden geltenden Bevölkerung. Diese wurde von rund 10 Organisationen, darunter die Geheime Staatspolizei (Gestapo), die Vugesta-Verwaltungsstelle für jüdisches Umzugsgut der Gestapo, die Zentralstelle für Denkmalschutz und das Dorotheum durchgeführt bzw. abgewickelt.

Thematisiert wird die ganze Bandbreite der unrechtmäßigen Aneignungen durch Beschlagnahmen der Gestapo, Ankäufe, bei Zwangsversteigerungen von ganzen Wohnungseinrichtungen von zur Flucht gezwungenen Personen, Notverkäufe der jüdischen Bevölkerung zur Sicherung des Lebensunterhalts oder zur Finanzierung ihrer Flucht, die Erpressung von zum Verkauf gezwungenen SammlerInnen durch Museen, zu einem niedrigen Preis zu verkaufen, bis hin zu Ankäufen von arisierten Objekten aus dem Kunsthandel nach 1945.

Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass nicht nur der Raub und die Aneignung von besonderen Kulturgütern wie z.B. des Nachlasses von Johann Strauss thematisiert wird, sondern auch die über verschiedene Wege erfolgte Eingliederung von Sammlungen oder Einrichtungsgegenständen in die Sammlungen der Stadt Wien. Beispiele dafür sind die Biedermeiermöbel von Jenny Mautner, die Stoffdruckmodel der Wiener Werkstätte, die Uhrensammlung von Alexander Grosz oder die Knopfsammlung von Siegfried Fuchs oder die Schlusssteinurkunde des Israelitischen Blindeninstituts.

Gleichzeitig wird sichtbar gemacht, welche Leistungen die Provenienzforschung bisher erbracht hat. Unter Provenienzforschung versteht man Forschung, die sich mit der Geschichte der Herkunft von Kunst- und anderen Kulturgütern beschäftigt, wobei es in Österreich vor allem darum geht, die früheren Besitzverhältnisse und die Rechtmäßigkeit des Erwerbs zu klären sowie gegebenenfalls eine Rückgabe von geraubten Gütern in die Wege zu leiten.

Wie die Kuratoren der Ausstellung, Gerhard Milchram und Hannes Sulzenbacher, im Katalog zur Ausstellung darlegen, wurden bisher über 70 Fälle bearbeitet und konnte in fast allen Fällen auch die Rückstellung der Objekte durchgeführt werden.

Pia Schölnberger führt im Katalog zum Thema Provenienzforschung aus: “Diese Disziplin, wie sie in hierzulande betrieben wird, steht für eine ernst gemeinte Aufarbeitung des Vermögensentzugs und seiner bis heute anhaltenden Materialisierung in öffentlichen Sammlungen – und für die schrittweise, wenn auch bruchstückhafte Heilung dieses unhaltbaren Zustandes.”

Einen Überblick über alle gezeigten Fallbeispiele und in die Provenienzforschung gibt der anlässlich der Ausstellungen gestaltete Katalog: Raub. Hg. Hannes Sulzenbacher und Gerhard Milchram. Wien 2024.

Die Ausstellungen sind bis 27. Oktober 2024 an den Standorten Judenplatz und Karlsplatz zu sehen!

Information und Links:

Adresse: Jüdisches Museum Wien – JWM, Museum Judenplatz, Judenplatz 8, 1010 Wien https://www.jmw.at/besuchen

Öffnungszeiten: Sonntag bis Donnerstag 10:00-18:00 Uhr, Freitag 10:00-17:00 Uhr (während der Winterzeit 10:00-14:00 Uhr)

Adresse: Wien Museum, Karlsplatz 8, 1010 Wien https://www.wienmuseum.at/besucherinformation

Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch, Freitag 9:00-18:00 Uhr, Donnerstag 9:00-21.00 Uhr, Samstag, Sonntag 10:00-18:00 Uhr

Ausstellung Raub © Patrick Topitschnig / Jüdisches Museum Wien / Wien Museum

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