Das Backhausen-Archiv
Designklassiker: Poesie des Ornaments
Die Geschichte Wiens hat viel Facetten. Eine davon ist mit dem Namen Backhausen, einem der traditionsreichsten Möbel- und Dekorstoffproduzenten, und seiner Bedeutung im Zusammenhang mit der Entwicklung von Stoffdesigns seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verbunden.
Das Archiv der Firma steht heute aufgrund seiner kulturellen Bedeutung unter Denkmalschutz. Die Kuratorin der Ausstellung, Ursula Oswald-Graf, hebt besonders hervor, dass das Backhausen-Archiv zwei Weltkriege nahezu unbeschadet überdauert hat und nicht nur die wechselhafte Geschichte des Unternehmens, sondern auch die textile Ausstattung von Interieurs ausgehend von den 1870er-Jahren bis in die 1960er-Jahre widerspiegelt.
Im Rahmen der Ausstellung “Poesie des Ornaments” werden Teile des einzigartigen Archivs mit Schwerpunkt auf die Zeit um 1900 und bis Anfang der 1930er-Jahre nunmehr erstmals einer breiteren interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Die Geschichte der Firma Backhausen geht bis in das Jahr 1849 zurück. Franz Backhausen war Halbseiden- und Modewarenfabrikant, seine Söhne und erzeugten qualitativ hochwertige Modestoffe. Nach und nach wurde der Schwerpunkt auf Möbel- und Vorhangstoffe gelegt. 1872 wurde eine neue Manufaktur in Hoheneich (Waldviertel, Niederösterreich) aufgebaut, da dort in der Nähe die Franz-Josefs-Bahn vorläuft, die bereits in der Monarchie eine direkte Verbindung nach Wien und Prag war.
Als in der Zeit des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts die Gebäude an der Ringstraße erbaut wurden, wurde die Firma Backhausen einer der wichtigen Lieferanten für die Ausstattung des Hofoperntheaters, des Reichsratsgebäudes (Parlament), des Wiener Rathauses und des Hofburgtheaters. Im Jahr 1888 erfolgte die Ernennung zum k.u.k. Hoflieferanten.
Das Ende des 19. Jahrhunderts und der Anfang des 20. Jahrhunderts standen im Zeichen des Jugendstils und für eine enge Zusammenarbeit mit der 1903 gegründeten Wiener Werkstätte. Für sie wurden Möbel- und Vorhangstoffe, Druckstoffe und handgeknüpfte und gewebte Teppiche angefertigt.
Trotz der schwierigen Situation während des ersten Weltkrieges gelang es mit der Umstellung des Designs auf Art déco die Firma durch die Zwischenkriegszeit zu führen. Allerdings war auch die Firma Backhausen von der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre betroffen und musste viele ArbeiterInnen entlassen.
Im Zweiten Weltkrieg musste eine Umstellung auf Kriegsproduktion erfolgen, um Aufträge der deutschen Wehrmacht – Zeltplanen, Decken und Fahnen – erfüllen zu können. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges demontierte die russische Besatzungsmacht die Maschinen und zerstörte die Fabrik. Diese wurde ab 1946 wieder aufgebaut. Da das Verkaufslokal im Heinrichshof in Wien den durch einen Bombenangriff zerstört worden war, wurde ein neues Geschäft in Wien in der Kärntnerstraße eröffnet, das an diesem Standort bis 2003 bestand, und danach in die Schwarzenbergstraße übersiedelte.
2012 musste das Unternehmen Konkurs anmelden. Im Jahr 2014 kaufte Dr.in Louise Kiesling das Unternehmen samt dem Archiv und führte es unter dem Namen Backhausen GmbH weiter. Nach ihrem plötzlichen Ableben hat die Fa. Backhausen im Jahr 2023 den Betrieb eingestellt.
Dass das über eintausend Objekte umfassende Archiv mit Originalentwürfen gesichert, systematisch wissenschaftlich aufbereitet, inventarisiert und nach musealen konservatorischen Standards gelagert und erhalten wurde, ist dem Wissen, Können und Engagement von Dr.in Louise Kiesling (1957-2022) zu verdanken. Nach ihrem Ableben wurde das Archiv von ihrem Sohn dem Leopold Museum in Wien als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.
Im Zentrum der Ausstellung “Poesie des Ornaments” steht die Zeit des Jugendstils und der Wiener Werkstätte. Prominent vertreten sind daher Entwürfe von Kolo Moser und Josef Hoffmann, den Mitbegründern der Wiener Werkstätte, aber auch weitere bedeutende DesignkünstlerInnen dieser Zeit wie beispielsweise Otto Wagner, Carl Otto Czeschka, Else Unger, Joseph Maria Olbrich, Dagobert Peche, Maria Likarz-Strauss, Alfred Roller, Ella Margold-Weltmann, Otto Prutscher, Jutta Sika, My Ullmann und Eduard Wimmer-Wisgrill.
Zu den Besonderheiten der Ausstellung zählt, dass nicht nur die Entwürfe für das Design von Vorhängen, Teppichen und textilen Bucheinbänden gezeigt werden, sondern anhand von Fotografien auch deren Umsetzung in den damals entstandenen Bauten, Villen und Wohnungen des Großbürgertums, aber auch Beispiele wie das Gesamtkunstwerk Sanatorium Purkersdorf bei Wien das Cabaret Fledermaus in Wien und das Palais Stoclet in Brüssel. Tatsächlich war die Firma Backhausen wesentlich für die Umsetzung der von der Wiener Werkstätte propagierten Idee des Gesamtkunstwerkes für den gesamten Wohnraum.
“Backhausen mit seinen technisch und künstlerisch innovativen Produkten von Möbel- und Vorhangstoffen bis zu Teppichen wurde als erste Adresse für experimentelles Textildesign zum maßgeblichen Teil des kulturellen Phänomens ‚Wien um 1900‘. Die Bedeutung der textilen Kunst von Backhausen im Kontext des Formenvokabulars des Historismus sowie des darauffolgenden
Jugendstils bis hin zum Art Déco der Zwischenkriegszeit kann gar nicht hoch genug
eingeschätzt werden.“ (Hans-Peter Wipplinger, Direktor Leopold Museum)
Die Ausstellung ist noch bis 9. März 2025 im Leopold Museum zu sehen!
Adresse: Leopold Museum um Museumsquartier Wien, Museumsplatz 1, 1070 Wien https://www.leopoldmuseum.org/de
Öffnungszeiten: Mittwoch-Montag 10.00-18:00 Uhr, Dienstag geschlossen, an Feiertagen geöffnet
Katalog: Poesie des Ornaments. Das Backhausen-Archiv. Hg. Ursula Oswald-Graf, Aline Marion-Steinwender, Hans-Peter Wipplinger. Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, Köln, 2024.