Ausstellung: Stadt der Frauen
Künstlerinnen der Wiener Moderne
Wien um 1900 war ein Zentrum von Kunst, Kultur, Wissenschaft und Philosophie, zu dem Frauen einen wesentlichen Beitrag geleitet haben. Ein Beitrag, der durch die politischen Entwicklungen der 1930er Jahre, die Machtergreifung der Nationalsozialisten, die Vernichtung von Kunst, die Vertreibung und Ermordung von Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen, Zerstörungen durch die Kriegshandlungen und eine nach dem Krieg jahrzehntelang von Männern geprägte Kunstgeschichte fast in Vergessenheit geraten war.
Die Situation für Frauen, die eine künstlerische Laufbahn anstrebten, waren Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts denkbar schlecht. Das Frauenbild dieser Zeit war geprägt von der im bürgerlichen Gesetzbuch verankerten Kleinfamilie und einem bürgerlichen Frauenbild, das den Frauen die Rolle als Ehefrau und Mutter zudachte. Frauen hatten keine politischen Rechte, den meisten blieb eine höhere Bildung verschlossen.
Frauen waren gezwungen, sich durch Privatunterricht und Studienreisen ins Ausland ihre Kenntnisse zu erwerben. 1897 wurde auf Initiative von Tina Blau und anderen Künstlerinnen die Kunstschule für Frauen und Mädchen in Wien gegründet. Ab 1896 durften sie die Wiener Kunstgewerbeschule (heute: Universität für angewandte Kunst) besuchen, deren Statuten geschlechtsneutral formuliert wurden. Die Universität der bildenden Künste hat Frauen erst 1921 zugelassen.
Die Künstlervereinigungen nahmen Frauen als ordentliche Mitglieder nicht auf. Weder das konservative Künstlerhaus, noch die fortschrittlicheren Secessionisten, die sich 1897 abspalteten, noch der Hagenbund (1900-1938). Einige Frauen wurden als außerordentliche Mitglieder “zugelassen” und durften sich – wenn es die von Männern besetzten Jurys gestatteten – an Ausstellungen beteiligen. Ein gleichberechtigter Platz blieb ihnen aber verwehrt – was mit Vorurteilen und Brotneid zu tun hatte, aber nichts mit der Qualität ihrere Werke. Durch die von Männern dominierte Kunstszene blieben Künstlerinnen von den öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen.
1910 wurde daher die Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs gegründet und in der Sezession die Gründungsausstellung veranstaltet. Die danach folgenden Großausstellungen wurden zu einem wesentlichen Bestandteil der Ausstellungslandschaft (bis zur Arisierung 1939). 1926 kam es zu einer Abspaltung und Gründung der der Vereinigung Wiener Frauenkunst, die programmatische Ausstellungen zu den Themen “Wie sieht die Frau?” oder “Das Bild im Raum” veranstaltete.
Grundlagenarbeit zur Erforschung der Künstlerinnen dieser Zeit haben in den 1990er Jahren Sabine Plakolm-Forsthuber mit ihrem Werk “Künstlerinnen in Österreich 1897-1938. Malerei.Plastik.Achitektur” und Julie M. Johnston mit ihrem 2012 erschienen Werk “The Memory Factory. The Forgotten Women Artists of Vienna 1900” geleistet. Johnston listet in ihrem Werk nicht weniger als 160(!) Künstlerinnen auf, dazu noch rund ein Dutzend weitere, deren Spuren sich verloren haben und (noch?) nicht wiedergefunden werden konnten.
Die Lebenssituation der Frauen dieser Zeit, die ihnen entgegengebrachten Vorurteile und die Schwierigkeiten, eine Ausbildung zu erhalten und auszustellen, habe die Künstlerinnen nicht daran gehindert, eigenständige Werke allerersten Ranges zu schaffen. Die Avantgardekunstrichtungen dieser Zeit haben sie wesentlich mitgetragen. Dies ist in kleineren Ausstellungen, wie im Wien Museum oder im Museum der Moderne Salzburg, auch immer wieder gewürdigt worden.
In der großen und umfangreichen Ausstellung “Stadt der Frauen” im Unteren Belvedere sind Werke von 56 Künstlerinnen zu sehen, die sich trotz aller Prügel, die ihnen in den Weg gelegt wurden, ihren Platz in der Kunstwelt geschaffen haben.
Die Ausstellung macht die Werke der Künstlerinnen der Wiener Moderne und die Vielfalt ihrer Arbeit wieder sichtbar. Sie ermöglicht uns ein Betrachten der aus Depots, von Dachböden und aus Privatsammlungen hervorgeholten Bilder und eine Einschätzung ihrer Bedeutung.
Die hervorragend gestaltete Ausstellung im Unteren Belvedere und der zu dieser Ausstellung erschienene Katalog sind wichtige Meilensteine in der Wiederentdeckung der Künstlerinnen und der Neubetrachtung der Wiener Moderne. Mehr noch, durch die Neuaufstellung bzw. -hängung der ständigen Sammlung im Oberen Belvedere, die durch Generaldirektorin Dr.in Stella Rollig und Kuratorin Dr.in Sabine Fellner erfolgte, haben die Künstlerinnen nun einen gleichberechtigten Platz in dieser Kunstsammlung erhalten.
Die Ausstellung ist noch bis 19. Mai 2019 im Unteren Belvedere in Wien zu sehen!
Literatur:
Stadt der Frauen. Künstlerinnen in Wien 1900-1938. Hg. Stella Rollig, Sabine Fellner. München/London/New York 2019
Julie M. Johnson, The Memory Factory. The Forgotten Women Artists of Vienna 1900. West Lafayette, Indiana 2012
Sabine Plakolm-Forsthuber, Künstlerinnen in Österreich 1897-1938. Malerei.Plastik.Architektur. Wien 1994
Dokumentation:
Frauenbilder-Gegenbilder: Die Künstlerinnen der Wiener Moderne. Buch und Regie: Barbara Weissenbeck. Wien 2018. YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=WLllfApKcKo
Adresse:
Unteres Belvedere, Rennweg 6, 1030 Wien
Öffnungszeiten:
tägl. 10.00 – 18.00 Uhr, Freitag bis 21.00 Uhr