Ungarn 2019

Ungarn 2019

Die Zerstörung einer liberalen Demokratie

Was bedeutet es, wenn politisch konservative oder rechtsstehende Parteien Ungarn unter Victor Orbán als Vorbild hochhalten? Welche Veränderungen finden diese politischen Parteien erstrebenswert?

In Ungarn ist seit 2010 durch die regierende Fidesz-Partei die Zerstörung der liberalen Demokratie vorangetrieben worden und heute soweit fortgeschritten, dass Ungarn nicht mehr als demokratischer Staat bezeichnet werden kann.

Mit welchen Mitteln wurde das Ziel der zunehmenden Kontrolle über weite Teile der Gesellschaft erreicht?

  • Unterwanderung der staatlichen Verwaltung durch Besetzung der Stellen mit regierungstreuen Personen
  • Änderung des Wahlrechts durch Einführung eines Mehrheitswahlrechts, sodass Fidesz mit 44% der Stimmen 66% der Sitze im Parlament erhalten konnte
  • Verwendung von Steuermitteln aussschließlich für die Wahlprogpaganda der Fidesz-Partei
  • Abbau der demokratischen Strukturen innerhalb der Fidesz-Partei
  • Abschaffung der Unabhängigkeit der Gerichte
  • Einschränkung der Pressefreiheit: mittlerweile werden rund 75% der Medien von regierungsfreundlicheren Eigentümern; Schikanen gegen unabhängige Medien
  • Schikanen gegen nicht-staatliche, regierungskritische, Organisationen: die neuen Gesetze für nicht-staatliche Organisationen gleichen denen in Russland
  • Zentralisierung der Geschichtsforschung
  • Kontrolle über und Zerschlagung der Akademie der Wissenschaften: diese besteht derzeit aus 15 Instituten und 150 Forschungsgruppen, wobei die Institute von der Akademie getrennt werden sollen, wobei mit 1. September ein Leitungsgremium mit von der Regierung ernannten Delegierten eingesetzt wird, das kritische Forschung unterbinden soll
  • Staatliche Auftragsvergaben werden an Familienmitglieder oder Parteifreunde vergeben: dafür werden auch rund drei Milliarden Euro an EU-Fördergeldern verwendet
  • Stärkung von nationalitstischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Strömungen
  • Repolitisierung der christlichen Religionen.

Wenn die Europäische Union nach wie vor den Anspruch hat, eine Gemeinschaft von demokratischen Staaten zu sein, wäre eine vordringliche Aufgabe des neugewählten Parlaments und der EU-Kommission, Klarstellungen zu treffen und Schritte in Richtung der Wiederherstellung der Demokratie in Ungarn zu setzen. Wir selbst sollten uns die Frage stellen, was Parteien, ihre Vorsitzenden und Funktionäre, die mit großer Bewunderung nach Ungarn blicken, wohl im Schilde führen.

(Hinweis am Rande: die Europäsche Volkspartei hat zwar die Fidesz-Partei ausgeschossen, nicht aber die 13 Fidesz-Parlamentarier.)

Anmerkungen:

Für diesen Artikel habe ich mich wesentlich auf Informationen aus folgenden Beiträgen im Guardian (online-Ausgabe, UK) gestützt:

Timothy Garton Ash, Europe must stop this disgrace: Victor Orbán is dismantling democracy. Guardian, 20. Juni 2019 https://www.theguardian.com/commentisfree/2019/jun/20/viktor-orban-democracy-hungary-eu-funding?CMP=Share_iOSApp_Other

Shaun Walker, Hungary eyes science research as latest target for state control. Guardian, 13. Juni 2019 https://www.theguardian.com/world/2019/jun/13/hungary-eyes-science-research-as-latest-target-for-state-control?CMP=Share_iOSApp_Other

Daniel Steinmetz-Jendkins/Anton Jäger, The Populist right is fortging an Unholde Alliance with religion. Guardian, 11. Juni 2019 https://www.theguardian.com/commentisfree/2019/jun/11/populists-right-unholy-alliance-religion?CMP=Share_iOSApp_Other

Jenifer Rankin, Victor Orbán ´s party suspended from Centre right EPP bloc. Guardian, 20. März 2019 https://www.theguardian.com/world/2019/mar/20/manfred-weber-calls-for-freezing-of-hungarian-partys-voting-rights?CMP=Share_iOSApp_Other

Dóra Diseri, Victor Orbanhas crossed all the red lines. And no one ´s stopped him. Guardian, 6. Februar 2019 https://www.theguardian.com/commentisfree/2019/feb/06/viktor-orban-crossed-red-lines-hungary-eu?CMP=Share_iOSApp_Other

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