Sommerfrische
Idealbild und Realität
Die Sommerfrische wird heute als eine Zeit der ungetrübten Freude am Land während des Sommers idealisiert, während der besser gestellte StadtbewohnerInnen sich in der Natur erholen konnten. Besonders das Salzkammergut – in dem der Kaiser in Bad Ischl seine Sommerfrischen verbrachte -, aber auch die angrenzenden Seenregionen, wurden zu “Sehnsuchtsorten” für viele Erholungssuchende.
Diese Sehnsucht nach einer “Auszeit” vom städtischen Alltag und der Sommerhitze in der Stadt blieb auch nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zerfall der Donaumonarchie. Neben der guten Luft und der herrlichen Umgebung hatten die Ferienregionen nach dem Ersten Weltkrieg für Feriengäste aber noch anderes zu bieten: Antisemitismus.
Das Arnold Schönberg-Center widmet sich in der Online-Gedenkausstellung “Arnold Schönberg und der Sommerfrischen-Antisemitismus im Salzkammergut” an einem konkreten Beispiel aus dem Jahr 1921 dieser Thematik. Die von der Kuratorin Therese Muxeneder hervorragend recherchierte und gestaltete und von Christoph Edtmayr digital umgesetzte Ausstellung erzählt auf sehr interessante und anschauliche Weise am Beispiel des Sommeraufenthalts der Familie Schönberg in der Gemeinde Mattsee in Salzburg im Jahr 1921, wie sehr der Antisemitismus schon lange vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten das Denken und Handeln der Menschen bestimmt hat.
Wie dem Begleittext zur Ausstellung von Therese Muxeneder zu entnehmen ist, warben zu Beginn der 1920er-Jahre bereits 70 (!) Orte in sieben Bundesländern mit dem Etikett einer ‘judenreinen’ bzw. ‘judenfreien’ Sommerfrische. Die dezidierte Ablehnung von Juden als Feriengästen wird bereits am 2. Juni 1921 in einem Beitrag in der Salzburger Chronik deutlich. Dort ist nachzulesen, dass der Ort Mattsee hofft, dass “es auch heuer dem rührigen Fremdverkehrsverein (gelingt), unseren Badeort judenrein zu erhalten.” Schon ein Jahr zuvor, 1920, wurde am Stiftsplatz von Mattsee ein Aufruf angebracht, in dem “allen wackeren Bürgern von Mattsee” gedankt wurde, “dass sie Juden als Sommergäste abweisen und damit ihre liebliche Heimat rein erhalten” (siehe Objekt #10 der Ausstellung). Am 20. Juni 1921 hatte die Gemeine einen Aufruf an alle Vermieter erlassen, Mattsee auch weiterhin ‘judenrein’ zu erhalten (Objekt #18).
Warum hat Arnold Schönberg mit seiner Familie ausgerechnet diesen Ort für seinen Sommeraufenthalt ausgewählt? Arnold Schönberg (1874-1951) war einer einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts , zentraler Vertreter der Zwölftontechnik, Musiktheoretiker, Lehrer für Musiktheorie und Komposition und Maler. Nach Mattsee kam er aufgrund einer Einladung seines Bruders Heinrich (Objekt #2), dessen Schwiegereltern ein Haus, die Villa Nora, in in diesem Ort besaßen. Für Schönberg war die Sommerfrische nicht nur als Erholung gedacht, sondern besonders auch dafür, Ruhe für die Arbeit an seiner Harmonielehre und Zeit für Kompositionen zu haben. Während der Aufenthalt zwar gut begann, endete er mit der Vertreibung des Komponisten aus dem Ort. Schönberg schrieb darüber trotzdem mit einer guten Portion Humor an Alban Berg: “Es war zum Schluss sehr hässlich in Mattsee. Die Leute dort haben mich scheinbar so verachtet, wie wenn sie meine Noten kennten”.
Was war geschehen? Nur durch seine Anwesenheit hatte der zu diesem Zeitpunkt schon über die Grenzen Österreichs bekannte Komponist bereits eine antisemitische Pressekampagne ausgelöst. Da jüdische Gäste unerwünscht waren, wurde er von der Gemeindevertretung aufgefordert, seinen Taufschein vorzulegen, um nachzuweisen, dass er kein Jude sei, da er sonst den Ort umgehend verlassen müsse. Da Schönberg bereits 1898 zum evangelischen Glauben konvertiert war, hätte er diesen Nachweis zwar erbringen können, entschloss sich aber, Mattsee umgehend zu verlassen und nach Traunkirchen in Oberösterreich auszuweichen. Dieser Vorfall war ein einschneidendes Erlebnis für ihn, da dadurch eine Rückbesinnung auf seine jüdische Identität begann, die in seinen Kompositionen (Moses und Aron, Der biblische Weg, A Survivor of Warsaw, Vertonung von Kol Nidre, Moderne Psalmen) und inhaltlichen Beiträgen ihren Ausdruck fand.
Für die Ausstellung wurde ein neues Format gewählt: Die Ausstellung wurde nicht als abgeschossenes Werk online gestellt, sondern es wird während der Ausstellungsdauer (von 2. Juni bis 26. Juli 2021) täglich ein weiteres repräsentatives Objekt vorgestellt und erläutert. Die BetrachterInnen haben daher die Möglichkeit, diese Entwicklung der Ereignisse 100 Jahre danach mitzuverfolgen und immer wieder neue Aspekte zu entdecken:
Wenn Sie auf den Link zur Ausstellung klicken, öffnet sich das Ausstellungsfenster. Beginnen Sie mit der Einführung: Klicken Sie auf das Bild, er scheinen dann das Bild und die Erläuterungen. Danach können Sie den Rundgang entweder mit dem ersten Objekt fortsetzen; dazu schießen Sie bitte die Einführung, scrollen nach unten und klicken auf Objekt #1. Oder sie nutzen die “Weiter”-Funktion” mit den Pfeilen, die Ihnen das letzte veröffentlichte Objekt samt Erklärung zuerst anzeigt.
Ausstellungsdauer: 2. Juni – 26. Juli 2021
Link zur Ausstellung: https://www.schoenberg.at/index.php/de/100-jahre-mattsee-online
Arnold Schönberg-Archiv: https://www.schoenberg.at/index.php/de/