Baum und Kunst

Baum und Kunst

Grow. Der Baum in der Kunst

Der Baum hat vielerlei Funktionen und Bedeutungen: er dient der Sauerstoffproduktion und der Regulierung des Wasserkreislaufs, der Verbesserung der Bodenqualität und gegen Bodenerosion; er ist Nahrungsquelle, Nistplatz, Lebensraum, Schutz und auch Handelsware. In vielen Kulturen hat der Baum religiöse Bedeutung, in der Mythologie ist er als Lebensbaum Symbol für Unsterblichkeit. Im Brauchtum begegnet er uns als Maibaum und Weihnachtsbaum. In der Kunst finden wir den Baum in der Musik, in Liedern wie in dem Lied von Franz Schubert “Am Brunne vor dem Tore” oder im Weihnachtslied “O Tannenbaum”, in vielen Gedichten, in der Malerei und Bildhauerei.

Der Verbundenheit des Menschen mit dem Baum und deren Darstellung in der Kunst ist die Ausstellung im Unteren Belvedere “GROW. Der Baum in der Kunst” gewidmet. Die gezeigten Werke stammen überwiegend aus der Sammlung des Belvedere, die durch Leihgaben ergänzt wurde. Damit wird eine Zeitspanne von rund 600 Jahren abgedeckt, beginnend mit einem Fastentuch dem 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart.

Da die Ausstellung vom Kurator, Miroslav Hal´ák nicht chronologisch, sondern nach Themen zusammengestellt wurde, ermöglicht dies gleichzeitig einen spannenden Überblick über die Auseinandersetzung mit den sich immer wieder verändernden Zugängen von KünstlerInnen zu diesem vielfältigen Thema über die Jahrhunderte hinweg.

Steirischer Maler, Fastentuch-Fragment, um 1440
© Belvedere, Wien

Die drei Themenbereiche, in die die Ausstellung gegliedert ist, und die unterschiedliche Zugänge bieten, sind: Baum der Erkenntnis als Vermittler zwischen Übernatürlichem und Menschlichem, Baum des Wissens als Objekt der Wissenschaft und Achse der Welt, die den Baum als warnendes Signal ökologischer Entwicklungen zeigt.

Der Aspekt “Baum der Erkenntnis” wird durch die Themen Wachsen und Vergehen, Verwandeln und Verlieren näher beleuchtet. “Wachsen und Vergehen” befasst sich mit der symbolhaften Darstellung des menschlichen Lebenslaufs als Baum, der sich im Verlauf der Jahreszeiten verändert. “Verwandeln” verweist auf Erzählungen aus der Mythologie über die Verwandlung einer Gottheit oder eines Menschen in ein Stück belebte oder unbelebte Natur. Geschickt wurde auch die barocke Architektur der Ausstellungsräume in die Ausstellung integriert. Im Marmorsaal wird nicht nur eine moderne Skulptur ausgestellt, sondern als Beispiel für die Rolle des Baumes in der Mythologie besonders auf ein sich in diesem Saal befindendes Gipsmedaillon mit der Darstellung der Nymphe Daphne, die sich auf der Flucht vor Apollo in einen Lorbeerbaum verwandelte, hingewiesen. “Verlieren” zeigt Bilder, die sich anhand von Reiseberichten, die am Ende des 19. Jahrhunderts in Zusammenhang mit “Entdeckungsreisen” entstanden sind, mit diesem Erbe der Kolonialzeit beschäftigen.

Der “Baum des Wissens” wird durch die Themen Zuhören, Spiegeln, Instrumentalisieren und Inspirieren vermittelt. Im 18. Jahrhundert, in der Zeit der Aufklärung, kam es zu einer Veränderung der Wahrnehmung der Natur, die nun zum Forschungsgegenstand der Naturwissenschaften wurde. “Zuhören” widmet sich der Vorstellung der Ähnlichkeit des Menschen mit den Bestandteilen des Baumes. “Spiegeln” zeigt, wie das Interesse an der Natur auch deren Darstellung in der Kunst verändert hat und der Baum zum eigenständigen Bildgegenstand wurde, wie beispielsweise im Bild “Blühende Kastanien” von Emilie Mediz-Pelikan:

Emilie Mediz-Pelikan, Blühende Kastanien, 1900 Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Oder aber im Bild von Olga Wiesinger Florian, Praterallee im Herbst, das ebenfalls um 1900 entstanden ist, und das durch eine besondere Hängung in der Ausstellung den Eindruck vermittelt, als würden die BesucherInnen schon in der herbstlichen Praterallee stehen.

“Instrumentalisieren” befasst sich mit der Vereinnahmung des Baumes für politische Zwecke durch das nationalsozialistische Regime. “Inspirieren” wieder zeigt, auf welch vielfältige Weise sich KünstlerInnen seit der Zeit des Biedermeier (1815-1848), über die Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart von Bäumen haben inspirieren lassen, die Bandbreite ihres Schaffens und ihrer Kunststile.

Josef Čapek, Der Wald, 1912 Dauerleihgabe Sammlung Rotter Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Die “Achse der Welt” bringt anhand der Themen Handeln, Atmen und Verzweigen die Neubewertung des Baums in der Kunst seit dem späten 20. Jahrhundert nahe. “Handeln” verweist auf die zentrale Rolle des Baumes für das Gleichgewicht der Natur, seine Bedeutung für das Ökosystem und damit auf die veränderte Wahrnehmung des Baumes vom Zeichen des Lebens hin zum Zeichen des Überlebens. “Atmen” führt die ökologische Funktion des Baumes als “Lunge der Welt” vor Augen und verweist auf das gewandelte Verhältnis zur Umwelt, in der Mensch und Natur nicht mehr voneinander getrennt, sondern eine Einheit sind.

Ausstellungsansicht Grow, Unteres Belvedere; Daniel Fischer, Das Herz der Realität, 1995. Privatbesitz. Foto: Elisabeth Kolbry

Den Abschluss der Ausstellung bildet “Verzweigen”; dieser Raum lädt anhand von ausgewählten Kunstwerken nochmals zum Nachdenken über die unterschiedlichen Auseinandersetzungen mit dem Thema Baum ein.

Die Ausstellung befasst sich jedoch nicht nur aus kunsthistorischer Sicht mit dem Thema Baum, sondern sie wurde auch im Sinne ökologischer Nachhaltigkeit geplant, d.h. in der Umsetzung wurde auf kurze Transportwege geachtet und nachhaltige Materialien verwendet; der Katalog zur Ausstellung wurde CO2 neutral produziert.

Damit will diese Ausstellung “zur Debatte über das Verhältnis der Menschen zu seiner Umwelt sowie über die Bedingungen des Weiterlebens beitragen” (Zitat Wandtext der Ausstellung).

Sieben Kurzfilme geben einen Einblick in die Ausstellung:

GROW – Die Beziehung Mensch – Baum (1.43 min): https://www.youtube.com/watch?v=6kN4dyTNT5c

GROW – Daphne im Belvedere (2:08 min): https://www.youtube.com/watch?v=CEn-pUe30aE

GROW – Der Baum der Erkenntnis (2:18 min): https://www.youtube.com/watch?v=2oEd3od7TAo

GROW – Der Baum des Wissens (1:49 min): https://www.youtube.com/watch?v=jRW5v91cv64

GROW – Achse der Welt (2:06 min): https://www.youtube.com/watch?v=-ZhRQ8YOyRg

GROW – Nachhaltigkeit (2:35 min): https://www.youtube.com/watch?v=6U4ekH5gx50

GROW – Creek Fire Monument (1:27 min): https://www.youtube.com/watch?v=_CuDTuMLBmA

Die Ausstellung ist im Unteren Belvedere noch bis 8. Jänner 2023 zu sehen!

Adresse: Unteres Belvedere, Rennweg 6, 1030 Wien https://www.belvedere.at/besuch/unteres-belvedere

Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag 10:00 – 18:00 Uhr

Katalog: GROW. Der Baum in der Kunst. Hg. Stella Rollig, Miroslav Hal´ák. Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, Köln 2022.

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