Deutscher Expressionismus

Deutscher Expressionismus

Einführung und Überblick

Die derzeit im Leopold gezeigte Ausstellung “Deutscher Expressionismus. Die Sammlungen Braglia und Johenning” gibt einen hervorragenden Überblick über die Entwicklung der Malerei in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Die Ausstellung zeigt die Vorläufer und Übergänge zu dieser Kunstrichtung Ende des 19. Jahrhunderts, die wesentlichen VertreterInnen des deutschen Expressionismus bis 1914 und weist auf die nachfolgenden Entwicklungen in der Zwischenkriegszeit hin. Damit bietet sie für alle, die sich mit dieser Kunstrichtung beschäftigen möchten, einen sehr guten Einstieg.

Vorauszuschicken ist, dass neue Wege in der Darstellung und neue Ausdrucksformen immer Entwicklungen in der Gesellschaft spiegeln. Die Gesellschaft Ende des 19. und des Beginnenden 20. Jahrhunderts war – um nur einige Beispiele zu nennen – geprägt durch die zunehmende Industrialisierung und die damit einhergehende Entstehung einer zu dieser Zeit noch weitgehend rechtlosen Arbeiterschaft, die von einer erstarkenden sozialdemokratischen Bewegung vertreten wurde, dem Kampf des Bürgertums und vor allem der Frauen um politische Rechte. Dazu kam eine verstärkte Abwanderung aus den ländlichen Gebieten verbunden mit einem starker Zuzug in die Städte. Neue Formen der Mobilität ermöglichten Reisen und für die KünstlerInnen damit das Kennenlernen anderer Länder und Kunstrichtungen. Richtungsweisende technische Erfindungen wie die Fotografie hatten ebenfalls indirekt Auswirkungen auf die künstlerische Tätigkeit.

Ein wesentliches Merkmal der expressionistischen KünstlerInnen war die Ablehnung der damals geltenden sehr strengen Vorgaben der traditionellen akademischen Malerei, aber auch die Abkehr von der impressionistischen Malerei in der freien Natur. Gleichzeitig erfolgte eine Hinterfragung und Erweiterung des herrschenden Schönheitsbegriffs. Es ging nun nicht mehr um die Vermittlung von naturalistischen Darstellungen und Eindrücken, sondern um die Vermittlung innerer Zustände. Auf der Suche nach neuen Ausdrucksmitteln erhielt dabei die Farbe einen zentralen Stellenwert.

Der Expressionismus ist eine Kunstrichtung, die durch eine Vielfalt der Stile gekennzeichnet ist. Die Auflehnung gegen die industrialisierte Gesellschaft und das Streben nach einer naturbezogeneren Lebensform, sowie die Suche nach einer Kunst waren Themen, die besonders die Malern der Künstlervereinigung “Die Brücke” , Karl Schmidt-Rotluff, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Otto Mueller und Max Pechstein, beschäftigten. Die KünstlerInnen um die Vereinigung “Der Blaue Reiter”, Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, August Macke, Franz Marc, Marianne von Werfkin, Alexej von Jawlensky, Heinrich Campendonk, Paul Klee, suchten verstärkt nach Ausdrucksformen, in der das rein intuitive genauso seinen Stellenwert hatte wie die Vernunft.

Da in dieser Ausstellung Werke aus zwei Sammlungen gezeigt werden, erfolgte die Hängung der rund 130 Exponate themenbezogen und nicht nach den zwei wesentlichen Künstlervereinigungen dieser Zeit, “Die Brücke” aus Berlin und “Der Blaue Reiter” aus München. Damit eröffnet sich für die BetrachterInnen ein interessanter neuer Blick auf jene Themenfelder, die die KünstlerInnen dieser Zeit beschäftigten.

Die Ausstellung beginnt einer “impressionistischen Ouvertüre”, die den Malern Max Liebermann und Lovis Corinth, als Vorläufer des Expressionismus in Deutschland, gewidmet.

Die “Kinderbilder aus Worpswede” zeigen Arbeiten von Paula Modersohn-Becker, die Seelenlandschafen der Brücke führen uns irdische Paradiese und eine geänderte Wahrnehmung und Darstellung des menschlichen Körpers anhand von Aktbildern und Porträts vor Augen. In “Gesichter einer Landschaft” werden Landschaftsbilder von Gabriele Münter, Wassily Kandinsky und Max Pechstein präsentiert.

Dem Künstlerpaar Marianne von Werfkin und Alexej von Jawlensky ist ein eigener Teil der Ausstellung gewidmet, ebenso unter “Lektionen aus dem Tierreich” den Tierdarstellungen Franz Marcs und unter “Sehnsucht nach reinen Klängen” dem Werk August Mackes. Besonders hervorzuheben ist, dass hier eine der seltenen Gelegenheiten gegeben ist, Zeichnungen von Macke zu sehen.

Spätere Entwicklungen werden in “Mystische Gegenden” mit Bildern von Marianne von Werefkin und Lyonel Feininger veranschaulicht, während der Abschnitt “Projiziertes Ich” Paul Klee gewidmet ist, der zwar in Verbindung mit dem “Blauen Reiter” stand, aber einen eigenen Weg eingeschlagen hatte. In “Braune Flecken im Farbengarten” wird in dieser Ausstellung Emil Nolde´s Verstrickung mit dem nationalsozialistischen Regime thematisiert.

Da es bis heute nicht selbstverständlich ist, Künstlerinnen und ihr Schaffen gleichberechtigt zu zeigen, ist es mir wichtig hervorzuheben, dass es dem Kurator der Ausstellung, Ivan Ristics, ein besonderes Anliegen war, dass die hervorragenden Künstlerinnen des Expressionismus – Marianne von Werefkin, Gabriele Münter und Paula Modersohn-Becker – prominent in der Ausstellung vertreten sind.

“Denn alles, was an künstlerischen Dingen von wahrheitsliebenden Geistern geschaffen ist, ohne jede Rücksicht auf die konventionelle Aussenseite des Werkes, bleibt für alle Zeiten echt.” (Franz Marc)

Die Ausstellung ist noch bis 20. April 2020 zu sehen!

Adresse: Leopold Museum, Museumsquartier Wien http://www.leopoldmuseum.org

Öffnungszeiten: Mittwoch-Montag: 10:00 -18:00 Uhr, Donnerstag bis 21.00 Uhr; Dienstag geschlossen

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