EU: Grundrechte
Charta der Grundrechte der Europäischen Union
Grund- und Freiheitsrechte mussten über Jahrhunderte schwer erkämpft werden. Ein wesentlicher Schritt war die Allgemeine Erklärung der Menschrechte der Vereinten Nationen im Jahr 1948, das sicher bedeutendste Dokument des 20. Jahrhunderts.
Es folgte die Europäische Menschrechtskonvention (EMRK) im Jahr 1953, die von Österreich 1958 ratifiziert und 1964 in den Verfassungsrang erhoben wurde.
In der Europäischen Union wurde zusätzlich zu den bestehenden Verträgen, die auf der Grundlage Europäischen Menschrechtskonvention und der Verfassungen der Mitgliedsstaaten beruhten, ab dem Jahr 1999 begonnen, einen einheitlichen Grundrechtekatalog zu schaffen. Der Europäische Rat von Köln beauftragte 1999 einen Konvent mit der Ausarbeitung eines Entwurfs, der im Dezember 1999 seine Tätigkeit begann, einen Entwurf für eine Charta der Grundrechte erstellte und diesen einstimmig annahm.
Nach der Zustimmung des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission wurde die Charta am 7. Dezember 2000 beim Europäischen Rat in Nizza von der Präsidentin des Europäischen Parlaments, dem Präsidenten des Rates und dem Präsidenten der Europäischen Kommission unterzeichnet und verkündet. Danach sollte es noch bis zum Jahr 2009 dauern, bis dieses Dokument mit dem Vertrag von Lissabon in als EU-Recht rechtsverbindlich wurde (mit Ausnahme von Polen, das von der sog. Opt-out Reglung Gebrauch machte und dem damals noch zur EU gehörenden Vereinigte Königreich).
Durch die Aufnahme eines eigenen Artikels in den Vertrag von Lissabon (Art. 6 Abs.1) ist die Charta der Grundrechte der Europäischen Union sog. EU-Primärrecht, d.h. sie hat für die Organe der EU und die Mitgliedsstaaten die gleiche Rechtsverbindlichkeit wie die EU-Verträge und ist bei der Umsetzung des Unionsrechts zu beachten.
In der Präambel der Charta wird dargelegt, dass “sich die Union auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität” gründet und “auf den Grundsätzen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit” beruht. Wesentlich ist, dass die Charta “die Person in den Mittelpunkt ihres Handelns (stellt), indem sie die Unionsbürgerschaft und einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begründet.”
Im wesentlichen ist die Charta der Grundrechte eine Zusammenfassung der bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte der Bürger:innen Europas und aller in der Europäischen Union lebenden Personen. Grundlage für die Charta sind die Europäischen Menschrechtskonvention, die Verfassungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die Sozialcharta des Europarates, die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer:innen und andere internationale Übereinkommen.
Die Charta der Grundrechte ist in sieben Kapitel gegliedert und enthält 54 Artikel. Diese Kapitel sind: Würde des Menschen, Freiheiten, Gleichheit, Solidarität, Bürgerrechte, Justizielle Rechte und Allgemeine Bestimmungen zu Anwendungsbereich, Tragweite der garantierten Rechte und Schutzniveau.
Zur Erläuterung des Umfangs der enthaltenen Regelungen sollen hier beispielhaft die Inhalte der Kapitel Freiheiten und Gleichheit angeführt werden. Im Kapitel II, Freiheiten, werden das Recht auf Freiheit und Sicherheit, die Achtung des Privat- und Familienlebens, der Schutz personenbezogener Daten, das Recht eine Ehe einzugehen und und eine Familie zu Gründen, die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, das Recht auf Bildung, die Berufsfreiheit und das Recht zu arbeiten, die Unternehmerische Freiheit, das Eigentumsrecht, das Asylrecht und der Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung geregelt.
Kapitel III, Gleichheit, enthält Artikel zur Gleichheit vor dem Gesetz, Nichtdiskriminierung, zur Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen, zur Gleichheit von Männern und Frauen, den Rechten des Kindes, den Rechten älterer Menschen und zur Integration von Menschen mit Behinderung.
Die Charta gilt für alle Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union und die europäische Gesetzgebung sowie für die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung von Unionsrecht oder der Durchführung von europäischen Verordnungen.
Für die Durchsetzung der in der Charta festgelegten Rechte sind der Europäische Gerichtshof in Luxemburg zuständig oder, wenn es sich um die Umsetzung und Anwendung von EU-Recht handelt, die nationalen Gerichte. In Österreich sind nach einer Grundsatzentscheidung des Verfassungsgerichtshofes die in der Charta verankerten Rechte prinzipiell auch vor dem Verfassungsgerichtshof durchsetzbar.
Im Jahr 2007 erfolgte die Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (European Union Agency for Fundamental Rights – FRA) mit Sitz in Wien. Ihre Aufgabe ist die Förderung und der Schutz der Menschrechte in der Europäischen Union durch die Erhebung, Analyse und Aufbereitung von Informationen zu Grundrechten, die Herausgabe von jährlichen Berichten, Beratung und Schulung sowie die Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten und nicht-staatlichen Organisationen im Bereich der Grundrechtsfragen.
Links:
Charta der Grundrechte der Europäischen Union – gesamter Text: https://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf
Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (European Union Agency for Fundamental Rights – FRA): http://fra.europa.eu/de
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte – gesamter Text, de: https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf