EUGENIE SCHWARZWALD
Reformpädagogin, Sozialarbeiterin, Feuilletonistin, Netzwerkerin
Die Leistungen von Eugenie Schwarzwald in einem einzigen Blogbeitrag zusammenzufassen, wäre nicht möglich. Denn „ihr Tun war pausenlos“ (R. Streibel) und von unglaublicher Vielfalt.
Dieser erste Beitrag zu Eugenie Schwarzwald soll daher neben ihren Lebensdaten einen Einblick in ihre Tätigkeit als Reformpädagogin und Schulreformerin geben.
Eugenie Schwarzwald wurde am 4. Juli 1872 in Polupanowka bei Tarnopol in Galizien in der österreichisch-ungarischen Monarchie geboren. Sie ist in Czernowitz zur Schule gegangen und hat dort die Lehrerinnenbildungsanstalt absolviert. Da Frauen in den österreichischen Universitäten noch nicht zum Studium zugelassen waren, studierte sie von 1895-1900 Germanistik mit den Nebenfächern Anglistik, Philosophie und Pädagogik an der Universität Zürich und wurde 1900 zum Dr.phil. promoviert.
Im Jahr 1900 hat sie Hermann Schwarzwald, einen Jugendfreund, geheiratet und da er Beamter im Finanzministerium in Wien war, sich in Wien niedergelassen. Es soll hier besonders hervorgehoben werden, dass er sie bei allen ihren Aktivitäten immer aktiv unterstützt hat.
Bereits 1901 hat Eugenie Schwarzwald das Mädchenlyzeum in Wien 1, Franziskanerplatz 5, von Eleonore Jeiteles übernommen. Dieses hat sie sukzessive zu einem Schulzentrum mit Volksschule, Gymnasial-und allgemeinen Fortbildungskursen ausgebaut. 1903 wurde dort die erste koedukative Volksschule der Monarchie eröffnet, die nach zwei Jahren das Öffentlichkeitsrecht erhielt.
Ab 1907 erhielt die Schule das Recht, Reifeprüfungen abzuhalten. 1909 wurde ein 4-klassiges Realgymnasium gegründet und ab 1911 erfolgte der Ausbau zu einem 8-klassigen Mädchenrealgymnasium. Diese Schule war die erste Schule der Monarchie, an der Mädchen die Matura ablegen konnten (sonst war dies nur extern möglich). Die Schule übersiedelte 1913 in die Herrengasse 10/Wallnerstraße 9 und bestand bis 1938.
Als Lehrer konnte sie unter anderen Oskar Kokoschka für Malerei, Egon Wellesz für Musik, den Rechtswissenschaftler Hans Kelsen für Soziologie und Volkswirtschaftslehre und Adolf Loos, der die Direktionsräume der Schule gestaltete, für Architektur gewinnen. Univ. Prof. Eduard Bernatzik bot ab 1916 eine Rechtsakademie für Frauen an (die erst 1919 zum Jusstudium an der Universität Wien zugelassen wurden).
Was sich in dieser Darstellung so einfach anhört, war ein unglaublicher, erfolgreicher Kampf, getragen vom Mut dieser starken und emanzipierten Frau, die sich weder durch Kleingeistigkeit und Frauenfeindlichkeit, noch die vielfältigen Hindernisse, die ihr von der Bürokratie in den Weg gelegt wurden, entmutigen ließ:
Die provisorische Leitung der Schule wurde ihr vom k.k. Ministerium für Cultus und Unterricht im Jahr 1901 nur für 3 Jahre genehmigt. Danach wurde ihr untersagt, ihre Schule selbständig zu leiten. Bis 1938 musste sie einen Mann zum offiziellen Leiter der Schulanstalten bestellen.
Und obwohl sie von allen „Fraudoktor“ genannt wurde, wurde ihr akademischer Grad von den Beamten nie (!) anerkannt.
Grundideen ihrer Pädagogik waren die Förderung der freien Entfaltung jedes Kindes, die Förderung der Kreativität und die Gewaltfreiheit. Langweile sah sie als Gift für Kinder, die Fröhlichkeit jedoch als unentbehrliches Lebenselixier an.
„Die Schule muss versuchen, eine Künstlereigenschaft, die alle Kinder besitzen, die Vitalität, zu erwecken und zu erhalten.“ (Eugenie Schwarzwald, Die Lebenslust der neuen Schule, 1931)
Sie war eine Pionierin und wesentliche Förderin der Mädchenbildung. Bildung war für sie der Schlüssel zur Unabhängigkeit der Frauen. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, dass Frauen die Möglichkeit, an den Universitäten zu studieren, auch tatsächlich wahrnehmen konnten.
Ihre fortschrittliche Pädagogik bildete eine Grundlage für die Schulreformen des Präsidenten des Wiener Stadtschulrates Otto Glöckel, der dies anerkannte und anlässlich der Feier zum 25jährigen Bestehen der Schule mit folgenden Worten würdigte: „Eugenie Schwarzwald hatte die Schulreform schon praktisch geübt, als selbst noch ihre Theorie unbekannt war.“
Das Jahr 1938 bedeutete auch für diese Schule das Ende. Die Schwarzwaldschule wurde im September 1938 geschlossen, das Vermögen der Schwarzwald durch den Stillhaltekommissar liquidiert.
Eugenie Schwarzwald konnte durch den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich und die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1938 nach ein Vortragsreise nach Dänemark nicht mehr nach Österreich zurückkehren. Sie emigrierte in die Schweiz und konnte von dort aus noch die Ausreise ihres Mannes und ihrer Freundin und Sekretärin Maria Stiasny erreichen.
Eugenie Schwarzwald ist 1940 in Zürich gestorben.
Literatur:
Leben mit provisorischer Genehmigung. Leben, Werk und Exil von Dr. Eugenie Schwarzwald (1872-1940). Eine Chronik von Hans Deichmann. Wien 1988
Robert Streibel (Hg), Eugenie Schwarzwald und ihr Kreis. Wien 1996
Renate Göllner, Kein Puppenheim. Genia Schwarzwald und die Emanzipation. Europäische Hochschulschriften, Reihe III Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 853. Frankfurt am Main 1999.
Deborah Holmes, Langeweile ist Gift. Das Leben der Eugenie Schwarzwald. St. Pölten/Salzburg/Wien 2012
Vortragsfilm: Dr. Robert Streibel „Ihr Tun war pausenlos“ https://www.youtube.com/watch?v=3GdsUHfKAdc