Florence Nightingale
Zum Internationalen Tag der Pflege am 12. Mai
In den letzten beiden Jahren sind in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie die besonderen Leistungen und die Bedeutung der Krankenpflege wieder verstärkt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Die Pflege der Kranken hat eine lange Tradition. Im 19. Jahrhundert hat eine starke Frau mit ihrem Beharrungsvermögen, Mut, Verstand und Einsatz dafür einen besonderen und nachhaltigen Beitrag geleistet: Florence Nightingale.
Florence Nightingale (1820-1910) gilt als eine der Begründerinnen der modernen westlichen Krankenpflege, war Reformerin des Sanitätswesens und der Gesundheitsfürsorge in Großbritannien. Als Statistikerin gilt sie als Pionierin der visuellen Veranschaulichung von Zusammenhängen in der Statistik. Dafür wurde sie als erste frau in die britische Royal Statistical Society aufgenommen und Ehrenmitglied der American Statistical Association.
Es war ein außergewöhnlicher Lebensweg, der Florence Nightingale keineswegs vorgezeichnet war. Sie wurde 1820 in Florenz geborenen, der Stadt, nach der sie benannt wurde. Ihre Eltern reisten nach der Hochzeit 1818 durch Europa, in Neapel kam 1819 ihre Schwester zur Welt, ein Jahr später wurde Florence geboren. Ihr Vater war ein wohlhabender und angesehener Gutsherr mit Landsitzen in Hampshire und Derbyshire und einen Stadthaus in London. Ihre Eltern waren Unitarier, Anhänger einer liberalen christlichen Glaubrichtung. Ihre Grundsätze, der Glaube an den sozialen Fortschritt, an eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft im Sinne eines Dienstes für die Gemeinschaft, waren für Florence prägend.
Florence Nightingale wurde zu Hause unterrichtet. Ab 1831 erhielt sie von ihrem Vater Unterricht in Latein, Griechisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Geschichte, Mathematik und Philosophie; zudem hatte sie eine Hauslehrerin für Zeichnen und Musik. Durch einen Cousin, der Mathematik studierte und längere Zeit bei der Familie zu Gast war, wurde sie angeregt, sich mit Statistik zu befassen; später stellte die Familie dafür einen Tutor für sie ein. Die Ausbildung hatte in ihrer Gesellschaftsschicht allerdings nur den Zweck, sie für eine passende Heirat, die traditionelle Rolle als Ehefrau und Mutter und das Führen eines standesgemäßen Haushalts vorzubereiten. 1839 wurde sie am Hof einführt.
Bereits zwei Jahre vorher, im Jahr 1837, hatte sie als Tochter des Gutsherrn, der auch für die medizinische Versorgung auf seinen Ländereien verantwortlich war, während der Grippe-Epidemie im Süden Englands Kranke versorgt. Ihrem Wunsch nach einer Ausbildung zur Krankenpflegerin standen die Eltern jedoch sehr ablehnend gegenüber. Erst 1850 konnte sie, da sie mit einem befreundeten Ehepaar auf Reisen durch Europa geschickt wurde, auf der Rückreise bei einem Zwischenstopp ein kurzes Volontariat in der damals durch seine Jahrbücher bekannten Kaiserswerther Diakonie in Deutschland machen. Danach erhielt sie die Erlaubnis ihrer Eltern, 1851 eine Ausbildung in der Kaiserswerther Diakonie zu machen und 1852 die Arbeitsweise mehrerer Krankenhäuser in Paris zu studieren und ihre Ausbildung in der praktischen Krankenpflege fortzusetzen – allerdings unter der Bedingung, dass sie dies geheim hielt.
1853 erteilten die Eltern dann die Zustimmung dazu, dass sie in London ein kleines Pflegeheim für verarmte weibliche Angehörige der Mittelschicht leiten durfte. Diese Aufgabe übernahm sie mit großem Erfolg und war bereits ein Jahr später als Leiterin der Pflege des King’s College Hospital vorgesehen. Bereits während dieser Zeit befasste sie sich mit der Situation des britischen Sanitätswesens und der Krankenpflege.
Auf ihre Arbeit war auch der Kriegsstaatssekretär Sidney Herbert aufmerksam geworden, der für die Organisation der Truppen im Krimkrieg verantwortlich war. Er und seine Frau waren mit Florence Nightingale befreundet. Aufgrund der verheerenden Situation der Betreuung der Kranken und verwundeten Soldaten, die zu einer enormen Sterblichkeitsrate geführt hatte, setzte er durch, dass Florence Nightingale im Auftrag einer der britischen Regierung eine Gruppe von Pflegerinnen in einem britischen Militärkrankenhaus leiten konnte. In den Jahren 1854-1855 war sie überwiegend mit der Aufbau der Organisation des Krankenhausbetriebes und dessen Leitung sowie der Leitung der Krankenpflegerinnen befasst und vollbrachte dabei eine unglaubliche Organisationsleitung. Aufgrund der mangelnden Finanzierung herrschten dort katastrophale Zustände. Durch eine Spendenaktion der Londoner Times erhielt sie Mittel, über die sie unbürokratisch entscheiden konnte und damit ihre Arbeit fortsetzen konnte.
Durch Presseberichte über den Krimkrieg und ihren Einsatz erreichte sie in ganz Großbritannien einen großen Bekanntheitsgrad und Anerkennung, nunmehr auch durch ihre Familie. In den Medien wurde sie zum Idealbild christlicher Weiblichkeit, das sich durch Bescheidenheit, Fürsorge und Mitgefühl auszeichnet, hochstilisiert und als “Lady with the Lamp”, die mit einer Lampe in der Hand in Nacht Kranke besuchte, idealisiert. Auf der anderen Seite konnte durch ihre verstärkte Bekanntheit der Nightingale Fund gegründet werden, der die Spendengelder sammelte, die die finanzielle Grundlage für die spätere Gründung der Nightingale School of Nursing bildeten.
Bei einem Besuch in einem Lazarett erkrankte sie 1855 an einer lebensbedrohlichen Infektionskrankheit, heute als Krimfieber bekannt. daher war sie nach ihrer Rückkehr mehrere Jahre dazu gezwungen, sehr zurückgezogen in London zu leben. Dadurch entwickelte sie ihre ganz besondere wissenschaftliche Arbeitsweise der Sammlung, Analyse und Aufbereitung von Daten, der Analyse von offiziellen Regierungsberichten und Stellungnahmen und dem Ableiten von Schlüssen aus dem aufbereiteten Datenmaterial. Sie hielt brieflichen Kontakt zu verschiedenen Experten, Epidemiologen Medizinern und Ingenieuren Ingenieure waren deshalb von Bedeutung, da sie Florence Nightingale auch für die Architektur von Krankenhäusern interessierte.
Während dieser Zeit arbeitete sie an Vorschlägen für die Reform des britischen Sanitätswesens. Sie galt zu ihrer Zeit als maßgebliche Autorität im Bereich der Gesundheitsfürsorge und nutzte ihre Bekanntheit dazu, um Druck auf Politiker zur Umsetzung von Reformen auszuüben.
In ihren theoretischen Schriften zur Krankenpflege, mit der sie die Pflegetheorie begründete, erläuterte sie die Notwendigkeit eines spezifischen pflegerischen Wissens. 1860 erschien ihr Krankenpflegebuch “Notes on Nursing”, das in Großbritannien und den Vereinigten Staaten eine große Leserschaft fand. 1860 gründete sie eine Pflegeschule, die Nightingale School of Nursing am St. Thomas Hospital in London, legte Ausbildungsstandards fest und setzte damit den ersten Schritt zu einer systematischen Ausbildung im Bereich der Pflege und der Anerkennung dieses Berufs für Frauen. Da dieser Ausbildung auch aufgrund es großen Bekanntheitsgrades von Florence Nightingale große öffentliche Aufmerksamkeit zuteil wurde, begannen auch andere Krankenhäuser Lehrgänge einzurichten. Die nachhaltige Bedeutung dieser Schule war, dass die dort ausgebildeten Krankenpflegerinnen später Pflegleiterinnen an anderen Krankenhäusern wurden, wo sie wieder Ausbildungsprogramme für Pflegekräfte einführten, die sich an der Nightingale School of Nursing orientierten.
Das zentrale Lebensthema von Florence Nightingale war ihr Leben lang die Gesundheitsfürsorge. Wobei sie diese sehr umfassend zum Thema machte. Sie setzte sich auch für die Armenfürsorge ein, befasste sich mit den Ursachen von Hungersnöten, trat für eine Reform der Trinkwasserversorgung und eine Verbesserung der Abwasserbeseitigung ein und machte 1886 Vorschläge zur Verbesserung der Gesundheitsfürsorge in indischen Dörfern und zur Ausbildung von indischen Frauen. Ihre gesammelten Werke umfassen 16 Bände! 1883 wurde sie für ihre Leistungen durch Queen Victoria mit dem Royal Red Cross ausgezeichnet und als erste Frau in den Order of Merit aufgenommen. Ab 1887 hatte Florence Nightingale zunehmend mit Sehschwierigkeiten zu kämpfen, ab 1896 war sie weitgehend ans Bett gebunden, 1910 ist sie in ihrem Haus in London gestorben.
“Lieber den Weg in eine neue Welt ankündigend zehnmal in der Brandung sterben, als untätig am Ufer stehen.” (Florence Nightingale)
Der 12. Mai, ihr Geburtstag, wurde zum Internationalen Tag der Pflege erklärt.