Paul Gaugin
Das Leben kein Traum
In der vom Kunstforum Wien in Kooperation mit der Albertina gestalteten Ausstellung “Gaugin – unexpected” wird anhand von mehr als 80 ausgewählten Werken die Entwicklung des Künstlers vom Impressionismus über Symbolismus bis hin zum Synthetismus vermittelt. Sie gibt einen Einblick in die Vielfalt seines künstlerischen Schaffens, von Ölbildern über Drucke bis hin zu Keramik und Holzreliefs und verweist auf die Bedeutung des Werkes für die Entwicklung der Kunst Ende des 19. Jahrhunderts und deren Einfluss auf die Kunst des beginnenden 20. Jahrhunderts.
Dies erfolgt vor dem Hintergrund seiner Biographie, aber auch von politischen, sozialen und kulturellen Faktoren wie den Entwicklungen im Bereich der Kunst, Kolonialismus, Rassismus und dem Frauenbild seiner Zeit. Wie jeder andere Mensch stehen KünstlerInnen in ihrer Zeit, werden von ihr geprägt und beeinflusst und schaffen ihre Werke in ihrem jeweiligen Umfeld.
Paul Gaugin (1848-1903) wurde in Paris geboren. Da seine Eltern Sozialisten waren, musste die Familie nach der Revolution von 1848 Frankreich verlassen und ging zu den Verwandten der Mutter nach Peru. Sein Vater starb während der Reise. Paul Gaugin verbrachte seine ersten 7 Lebensjahre in Lima, der Hauptstadt Perus, und kehrte danach mit seiner Mutter nach Paris zurück. 1865 trat er in die Marine ein, zuerst in die Handelsmarine, dann in die Kriegsmarine. Diese Tätigkeit führte ihn nach Südamerika, Indien und zum Polarkreis.
Mit 24 Jahren begann er auf Vermittlung seines Vormunds eine erfolgreiche Karriere als Börsenmakler und heiratete 1873 die Dänin Mette Gad, mit der er fünf Kinder hatte. Bereits während er als Börsenmakler tätig war, waren das Zeichnen und die Malerei sein Hobby, das er sich selbst beibrachte und seine Kenntnisse stetig erweiterte. Da sein Vormund Kunstsammler war, hatte er die Gelegenheit, die Werke französischer Künstler kennen zu lernen.
In seinen Anfängen war er von Jean-Baptiste Camille Corot, einem französischen Landschaftsmaler, beeinflusst. Dieser gehörte der sog. Schule von Barbizon an, die einen unmittelbaren Zugang zur Natur suchte. Durch seine Freundschaft mit Camille Pissaro angeregt, begann er im impressionistischen Stil zu malen und konnte sein Werk in einer Ausstellung der Impressionisten präsentieren.
Als er aufgrund des Börsenkrachs im Jahr 1882 seine Stellung an der Börse verlor, entschied er sich für die Malerei als Hauptberuf. Dadurch konnte er sich zwar ganz auf die Malerei konzentrieren, allerdings begann für ihn und seine Familie eine Zeit der finanziellen Schwierigkeiten. Letztlich musste die Familie 1884 zu Verwandten seiner Frau nach Kopenhagen ziehen.
Ein Jahr später kehrte Gaugin allein nach Paris zurück, ging dann in die Bretagne und reiste 1887 mit dem Maler Charles Laval in die französischen Kolonien Panama und Martinique. Wieder in Paris, lernte er Vincent van Gogh kennen. Ihre Zusammenarbeit in Arles war jedoch schwierig und nur von kurzer Dauer. Anschließend malte Gaugin wieder in der Bretagne, wo er das einfache Leben suchte, da er meinte, dass man die Kunst nur erneuern könne, wenn man sich vom Leben des Bürgertums verabschiedet und weggeht.
Bereits in den 1880er Jahren begann er, sich über die Malerei hinaus auch für Grafik und Skulpturen zu interessieren und die dafür erforderlichen Techniken zu erlernen. Sein Stil veränderte sich Ende der 1880erJahre, als er begann, nicht mehr nach der Natur zu malen, sondern aus der Erinnerung. Damit wurde die “innere Vorstellung” zentral, d.h. es ging nicht mehr darum, die reale Welt in seinen Bildern zu vermitteln, sondern seine Vorstellungen und Interpretationen von Natur und Wirklichkeit. Dies drückte sich in der Wahl der Motive und in Farben und Formen aus. “Das Kunstwerk hat seinen Mittelpunkt in einer Idee und nicht in Sinneseindrücken. Es muss diese Idee in der Form ausdrücken” (Gaugin). Damit gehört er zu den Begründern der symbolistischen und den sythetistischen Malerei.
Als 1889 die Weltausstellung in Paris stattfand, war dort auch eine Ausstellung über die französischen Kolonien zu sehen, die Gaugin mehrmals besuchte. Ausgestellt wurden dem damaligen Verständnis von Exotik entsprechende Sehnsuchtsorte, die Vorstellungen von paradiesischen Zuständen und einer harmonischen Welt in der Südsee als Gegenpol zum städtischen Leben vermittelten. Gaugin, der schon in der Bretagne das Ursprüngliche gesucht hatte, entschloss sich in der Folge, nach Tahiti – eine französische Kolonie – zu gehen. Die Reisekosten finanzierte er durch den Verkauf von Gemälden und durch einen Auftrag der Pariser Ministeriums für Bildung und Schöne Künste, die französische Kolonie auf künstlerische Weise zu dokumentieren.
Tahiti und seine Außengebiete waren bereits seit 1842 französisches Protektorat und seit 1880 französische Kolonie. Als Gaugin 1891 in der Hauptstadt Papeete ankam, hatte der westliche Lebensstil dort durch die Kolonialisierung und Missionierung des Landes bereits deutliche Spuren hinterlassen. Auch wenn er sich selbst gern als “wilder Künstler” sah, galt er als Franzose bei der einheimischen Bevölkerung als Angehöriger der Kolonialmacht. Als Angehörigem der Kolonialherrschaft wurden ihm minderjährige Mädchen als Hausgehilfinnen und Lebenspartnerinnen angeboten, was er nicht ablehnte (Das Schutzalter der Frauen in den französischen Kolonien lag damals bei dreizehn Jahren, d.h. diese Beziehungen galten als legal).
Für seine künstlerische Entwicklung waren die Beschäftigung mit der Kultur, den Mythen und Riten der Insel Tahiti und die Farbenwelt der Tropen von zentraler Bedeutung. Dies spiegelt sich in den Bildern, Drucken und Schriften dieser Jahre wider. Dabei zeigt er jedoch nicht die realen Lebensumstände, sondern seine eigene, idealisierte, Vorstellung der Südseewelt.
Aufgrund von finanziellen und gesundheitlichen Problemen kehrte er 1893 nach Frankreich zurück. Durch eine Erbschaft war es ihm möglich, die von ihm mitgebrachten 66 Gemälde in einer Ausstellung in einer Galerie in Paris zu präsentieren. Diese Ausstellung brachte ihm zwar Anerkennung in Künstlerkreisen, jedoch keinen finanziellen Erfolg, da seine Werke vom Publikum nicht angenommen wurden. Gaugin daraufhin zog vorerst wieder in die Bretagne und entschloss sich 1895, nach Tahiti zurückzukehren.
Seine künstlerische Arbeit setzte er auch während seines zweiten Aufenthalts auf Tahiti fort. Allerdings war diese Zeit in Tahiti geprägt durch seinen sich verschlechternden Gesundheitszustand und finanzielle Probleme, die sich erst 1900 durch ein gesichertes Einkommen aufgrund eines Vertrag mit dem Pariser Kunsthändler Ambroise Vollard besserten.
Enttäuscht von dem sich durch die Kolonialherrschaft zunehmend verändernden Leben auf Tahiti zog er sich 1901 auf die ebenfalls zu Französisch-Polynesien gehörenden Marquesas-Inseln zurück, wo er im Jahr 1903 gestorben ist.
Die Ausstellung ist im Kunstforum Wien bis 19. Jänner 2025 zu sehen!
Adresse: Kunstforum Wien, Freyung 8, 1010 Wien https://www.kunstforumwien.at/de/startseite
Öffnungszeiten: täglich 10:00-19:00 Uhr, Freitag 10:00-21:00 Uhr
Videopodcast: Einführung der Kuratorin zur Ausstellung (9:31 min): https://www.kunstforumwien.at/de/digital/videopodcast
Katalog: Gaugin – unexpected. Hg. Evelyn Benesch. Kehrer Verlag Heidelberg 2024