Gunta Stölzl

Gunta Stölzl

Textilkunst der Moderne

Gunta Stölzl war eine der Pionierinnen und einzige Meisterin am Bauhaus, und Wegbereiterin moderner Textilkunst im 20. Jahrhundert. Trotz ihrer hervorragenden Leistungen ist sie bis heute jedoch nur einem kleinen Kreis an Interessierten bekannt.

Gunta Stölzl wurde 1897 in München geboren, und besuchte nach Abschluss einer höheren Mädchenschule ab 1914 die königliche Kunstgewerbeschule in München, wo sie Malerei, Keramik und Kunstgeschichte studierte. In den Jahren 1917/1918 unterbrach sie ihr Studium und arbeitete im Ersten Weltkrieg als Rotkreuzschwester an der Isonzofront und in Frankreich. Als sie nach ihrer Rückkehr an die Kunstakademie aufgrund ihres Engagements für eine Änderung des Lehrplans Informationen über das Bauhaus las, traf sie die Entscheidung, als Studentin an das Bauhaus in Weimar zu gehen.

Nach der Absolvierung des am Bauhaus vorgeschriebenen Vorkurses bei Johannes Itten erfolgte 1920 ihre Immatrikulation als Bauhaus-Studierende. Das Studium schloss sie 1923 mit der Gesellenprüfung ab. Schon während ihres Studiums hatte sie sich an der Fachschule für Textilindustrie in Krefeld mit Färbetechniken befasst; nach ihrem Studium kehrte sie dorthin zurück, um sich mit neuen Produktionsmethoden und Textilfasern zu beschäftigen.

Ihr Weg führte sie dann 1924 in die Schweiz, wo sie für ihren ehemaligen Lehrer Johannes Itten Werkstätten für Handweberei einrichtete. Im Jahr 1925 kehrte sie an das Bauhaus – nunmehr in Dessau – zurück. Dort wurde sie Werkmeisterin in der Webereiwerkstatt, die sie ab 1927 bis 1931 alleiverantwortlich als Meisterin leitete.

Das Bauhaus hat eine wechselvolle Geschichte und viele Gesichter – eines der weniger erfreulichen ist die nach der ersten Begeisterung für Gleichberechtigung zunehmend hervortretende konservative Einstellung gegenüber Frauen. Gunta Stölzl gehörte zwar zu jenen Frauen, die an der Errichtung der Frauenklasse, die später auf den Bereich Weberei reduziert wurde, mitbeteiligt waren, ihr ging es jedoch von Anfang an um die Textilkunst an sich. Es waren die Meister des Bauhauses, die in der Weberei eine für Frauen “angebrachte” Tätigkeit sahen und für die die Weberei in späteren Jahren als Legitimation dafür diente, dass Frauen in anderen Bereichen wie der Keramik, Metallverarbeitung und Tischlerei nur als Ausnahmen geduldet wurden.

Die Frauenklasse bot als einzige die Möglichkeit für eine Frau, eine höhere Position zu erlangen. Trotzdem wurde Gunta Stölzl als Einzige aufgrund eines Beschlusses der Studierenden und nicht einer Entscheidung der Bauhaus-Meister berufen. Sie war zudem von Anfang an schlechter gestellt als die männlichen Kollegen, da sie keine feste Anstellung, sondern nur einen jährlich zu verlängernden Vertrag erhielt, zu Beginn auch deutlich weniger bezahlt bekam und sich einen ihrer Position angemessenen Gehalt erst erkämpfen musste.

Dennoch hat die Textilwerkstätte unter ihrer Leitung Maßstäbe gesetzt, die prägend für modernes Textildesign wurden. Als Studentin und Meisterin hatte sie eine zentrale beim Aufbau und der Weiterentwicklung der Weberei am Bauhaus. Sie war prägend in der Übertragung der Ideen der Bauhaus-Lehrer Johannes Itten, Paul Klee und Wassily Kandinsky in der Farbtheorie und Abstraktion in den Bereich der Textilkunst. Als Meisterin baute sie die Weberei zu einer der wirtschaftlich erfolgreichsten Abteilungen des Bauhauses aus.

Während am Bauhaus in Weimar noch die Herstellung von Einzelstücken im Vordergrund stand, kam in der Zeit des Bauhauses in Dessau ab 1925, da nun der Schwerpunkt im Bereich der Architektur lag, der Textilwerkstatt zunehmend größere Bedeutung in Bereich der Ausstattung von Räumlichkeiten zu. Neben Experimenten mit neuen, strapazierfähigen und kostengünstigen Materialien für einen größeren Markt wurden Musterbücher für die Textilindustrie angefertigt.

Ihre Werke aus der Bauhaus-Zeit, gegliedert in die Zeit 1919 bis 1925 und 1925 bis 1931 können sie unter https://www.guntastolzl.org/Works betrachten. “Dass man von Bauhaustextilien spricht, ist ihr Verdienst”, schrieb die Bauhaus-Zeitschrift 1931.

1931 war auch das Jahr, in dem Gunta Stölzl aufgrund der politischen Entwicklung in Deutschland und Anfeindungen von rechtsgerichteten Studenten und Lehrern das Bauhaus verlassen musste. 1929 hatte sie den Bauhaus-Architekten Arieh Sharon geheiratet, im selben Jahr kam ihre Tochter zur Welt. Sie hatte schon dadurch Aufsehen erregt, dass sie sich weigerte, nach der Heirat ihren Beruf aufzugeben und ihr Kind während der Dienstzeit stillte. Dazu kamen mit dem sich verstärkenden Nationalsozialismus die Anfeindungen gegen ihren jüdischen Ehemann. Diese Anfeindungen zwangen sie dazu, ihre Kündigung einzureichen.

Nach ihrer Kündigung am Bauhaus emigrierte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter in die Schweiz. Dort gründete sie gemeinsam mit den Bauhaus-AbsolventInnen Gertrud Preiswerk und Heinrich Hürlimann die Handweberei S-P-H-Stoffe, die jedoch aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten scheiterte und als Handweberei S+H von ihr und Hürlimann bis 1937 weitergeführt wurde. Ab 1937 bis 1967 führte sie in Zürich alleine die Webereiwerkstatt “Flora”. Nach ihrer Scheidung von Arieh Sharon im Jahr 1936 heiratete sie 1942 den Schweizer Willy Stadler, ihre zweite Tochter kam 1943 zur Welt.

Die Textilkunst blieb bis zu ihrem Lebensende ihre Leidenschaft. Nach der Schließung ihrer Webereiwerkstatt widmete sie sich bis zu ihrem Lebensende der Textilkunst und fertigte Gobelins nach eigenen Entwürfen. In den 1970er Jahren hatte sie zudem einige Einzelausstellungen ihrer Werke in der Schweiz und in Deutschland.

Gunta Stölzl ist 1983 in Zürich gestorben.

Ihre Werke befinden sich heute in so wichtigen Sammlungen wie dem Museum of Modern Art in New York, dem Metropolitan Museum of Art in New York, dem Victoria und Albert Museum in London, den Kunstsammlungen zu Weimar, der Stiftung Bauhaus Dessau, dem Bauhaus Archiv Berlin, in der Neuen Sammlung München, der Staatsgalerie Stuttgart, dem Museum für Gestaltung Zürich und im Basler Kunstverein.

Links:

Gunta Stölzl Werk (Fotos ihrer Werke, chronologisch geordnet von 1915-1983) https://www.guntastolzl.org/Works

Gunta Stölzl Foundation http://www.guntastolzl.org

Artikel: Die Textilwerkstatt des Bauhauses 1919-1931 https://www.e-periodica.ch/digbib/view?rid=wbw-002:1968:55::2704#2705

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