Hundertwasser trifft Schiele
Bewunderer und Vorbild
Mit der anlässlich des 20. Todestages von Friedensreich Hundertwasser gestalteten Ausstellung “Hundertwasser – Schiele. Imagine Tomorrow” ist dem Leopold Museum in Zusammenarbeit mit der Hundertwasser Gemeinnützigen Privatstiftung Wien eine ganz außerodentliche Präsentation der Werke Schieles und Hundertwassers gelungen.
Vor dem Hintergrund, dass sich Hundertwasser als Künstler sein Leben lang intensiv mit dem Werk und der Person Schiele´s beschäftigt hat, wurde die Ausstellung von Kurator Robert Fleck als künstlerischer Dialog zwischen diesen weit über die Grenzen hinaus bekannten wesentlichen Vertretern der österreichischen Kunst des 20. Jahrhunderts gestaltet.
Friedensreich Hundertwasser (1928-2000), 1928 in Wien geboren, wurde durch seine Jugend im Nationalismus geprägt. Als Sohn einer jüdischen Mutter hat er das Naziregime zwar überlebt, jedoch 69 seiner Verwandten in Konzentrationslagern verloren. Bereits in seiner Kindheit hat er zu malen begonnen und einen außergewöhnlichen Sinn für Farben und Formen entwickelt.
Kurz nach dem Krieg, im Jahr 1948, wurde Egon Schiele in Österreich in Buchprojekten und Ausstellungen als Wegbereiter der Moderne und sein Werk als “Höhepunkt der österreichischen Kunstgeschichte” präsentiert. Österreich war 1948 bei der Biennale in Venedig durch die Werke Egon Schieles verteten. Im Herbst fanden in der Neueröffneten Albertina und der Neuen Galerie in Wien Ausstellungen statt, in denen seine Werke präsentiert wurden. Dort hat auch Hundertwasser das Werk Schieles kennengelernt.
Er entschied sich in der Folge, an der Akademie der bildenden Künste bei Professor Andersen, der Schiele noch persönlich gekannt hatte, zu studieren. Bereits nach drei Monaten verließ er die Akademie, ging dann nach Paris, wo er für kurze Zeit an der Académie des Beaux Arts studierte und sich danach weitgehend autodidaktisch weiterbildete. Sehr schnell wurde er zu einem angesehene Maler; 1951 wurde er in den Art Club Wien aufgenommen, im Jahr 1954 war seine erste Einzelausstellung.
Obwohl er immer Maler blieb, der Gebäude visionär erdacht hat, erfolgte ab Ende 1950er Jahre eine Hinwendung zur Architektur. Er beschäftigte sich mit Wirkung von Architektur auf den Menschen, mit Stadtplanung Lebensqualität, kritisierte die Geradlinigkeit und Uniformität der Architektur, entwarf als Maler visionäre Gebäude und realisierte in der Folge Architekturprojekte in der ganzen Welt. Durch sein Eintreten für die Einbeziehung der Natur in die Architektur, sein öffentliches Eintreten für ein natur- und menschengerechtes Wohnen, seine Beschäftigung mit Nachhaltigkeit und Konsumzwang wurde er bereits früh zu einem der Vordenker der Ökologiebewegung.
Durch seine intensive Beschäftigung mit Schiele wurde dieser neben seinen weiteren Vorbildern Vicent van Gogh und den japanischen Druckgrafikern Hiroshige und Hokusai zu einem zentralen Bezugspunkt in Hundertwassers Werk. “Ich liebe Schiele” ist der Titel eines poetischen Textes, den Hundertwasser um 1950/51 verfasst hat.
Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf dem Frühwerk Hundertwassers, da der Einfluss Schieles besonders in seinem Frühwerk deutlich wird. Obwohl er schon sehr früh einen eigenen unverkennbaren Stil entwickelte, orientierte er sich in der Komposition, in den Motiven und – wie die Ausstellung vor Augen führt – auch in der Farbwahl an seinem Vorbild. Damit wird die künstlerische Entwicklung Hundertwassers seit seinen Anfängen nachvollziehbar.
Auch als Hundertwasser die Spirale als Gleichnis für den Akt der Schöpfung, für Leben und Tod, Werden und Vergehen in sein Werk aufnahm, wurde er von Schiele beeinflusst. Bereits bei Schiele gehörten Leben und Tod zu den wichtigen Themenkreisen. Konkret wurde Hundertwasser durch das Bild “Tote Mutter” und den 1950 gedrehten Dokumentarfilm “Images de la Folie” dazu angeregt, das Motiv der Spirale in sein Werk aufzunehmen.
Die unglaublich faszinierende Zusammenstellung von Werken beider Künstler zeigt den Einfluss Schieles auf Hundertwasser`s Werk und eröffnet gleichzeitig eine neue Perspektive bei der Betrachtung von Werken Egon Schieles.
Damit bietet die Ausstellung sowohl die Möglichkeit eine vertieften Beschäftigung mit beiden Künstlern, als auch einen Zugang zu ihren Werken durch die Freude an der Betrachtung der wunderbaren Bilder.
“Nur die Natur kann uns Kreativität lehren”-“Die Natur ist mein Lehrer”. (Friedensreich Hundertwasser)
Die Ausstellung wurde bis 10. Jänner 2021 verlängert!
Adresse: Leopold Museum, Museumsquartier Wien http://www.leopoldmuseum.org
Öffnungszeiten: Täglich – außer Dienstag -10:00 – 18:00 Uhr, Donnerstag bis 21:00 Uhr
Katalog: Hundertwasser – Schiele. Imagine Tomorrow. Hg. Hans-Peter Wipplinger. Verlag der Buchhandlung Walter König, Köln 2020.