Louise Bourgeois
Gemälde und Skulpturen: Ein Dialog
Louise Bourgeois Leben umfasste fast ein ganzes Jahrhundert, ihr künstlerisches Schaffen etwa 70 Jahre. Sie wurde 1911 in Paris geboren und starb 2010 in New York. Dieses umfangreiche Werk auch nur annähernd darzustellen, würde jede Ausstellung sprengen. Im Belvedere ist einer der bedeutendsten KünstlerInnen des 20. Jahrhunderts derzeit erstmals in Europa eine Einzelausstellung ihrer Gemälde gewidmet.
Die von Sabine Fellner und Johanna Hofer sehr interessant und klug kuratierte Ausstellung stellt die frühen Gemälde von Louise Bourgeois, die in den Jahren 1938 bis 1949 entstanden sind, späteren Werken – Skulpturen, Rauminstallationen und Grafiken – gegenüber. Gleichzeitig begleiten Zitate der Künstlerin wie ein roter Faden die Ausstellung. Damit gelingt es ihnen, die Quellen des Werks von Louise Bourgeois und die dieses Werk bestimmenden Themen für die BesucherInnen anschaulich zu präsentieren.
In ihrem sehr eigenständigen Werk beschäftigte sich Louise Bourgeois mit existenziellen Themen Liebe, Angst, Schuld, Verlustangst, Versöhnung, Sexualität und Tod. Das Thema Natur nimmt in ihrem Frühwerk ebenfalls einen wichtigen Platz in ihrem Schaffen ein. Ebenso Thema waren in ihrem Werk die Rolle der Frau und die Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen. Ein Aspekt, der für ihr Werk ab den 1950er Jahren Wichtigkeit erlangte, ist die Bedeutung der Psychoanalyse. Ihre schwierige Familiensituation, die Untreue des Vaters, die jahrelange Krankheit der Mutter, die ihre Kindheit prägten, waren immer wieder Gegenstand ihrer Werke. Sie selbst hat von sich gesagt: “…alle meine Themen haben ihre Inspiration in meiner Kindheit gefunden. Meine Kindheit hat nie ihren Zauber, ihre Geheimnis und ihre Dramatik verloren.”
Nach ihrer Matura inskribierte 1932 Louise Bourgois an der Sorbonne, wo sie zuerst Mathematik studierte. Nach einer schweren Krise, die durch den Tod ihrer Mutter ausgelöst wurde, begann sie ihr Interesse für die Kunst zu ihrem Studium zu machen. Von 1933 bis 1937 studierte sie an mehreren Kunsthochschulen und Ateliers in Paris, darunter die École Nationale Supérieure des Beaux Arts und die École du Louvre. Im Jahr 1938 studierte sie bei Fernand Léger, der sie auch zum dreidimensionalen Arbeiten ermutigte. Im gleichen Jahr lernte sie den amerikanischen Kunsthistoriker Robert Goldwater (1907-1973) kennen und ging mit ihm nach ihrer Heirat im September 1938 nach New York.
Die nächsten Jahre standen vor allem im Zeichen der Familiengründung. Zuerst durch die Adoption von Michel; 1940 und 1941 kamen ihre Söhne zur Welt. Das bedeutete für sie auch, sich mit ihren verschiedenen Rollen als Ehefrau, Haus, Mutter und Künstlerin auseinanderzusetzen.
In den Jahren 1938 bis 1949 schuf sie ihr malerisches Frühwerk und die ersten Skulpturen. Dabei geht es inhaltlich sowohl um ihre Familie, das Verlassen ihrer Heimat und Freunde, ihre Rolle als Frau, aber auch um die Beschäftigung mit der Natur. Natur bedeutete sie für sie “Inspiration und Refugium. In Bäumen, Blumen, Nestern, Bergen, Flüssen und Wolken findet die Künstlerin Symbole für Wachstum, Zuflucht und Regeneration.” (Ausstellungstext)
Farben kommt in ihrem Werk eine ganz besondere Bedeutung zu. Sie selbst hat dies so beschrieben: “Farbe ist stärker als Sprache. Farbe ist eine unterschwellige Kommunikation.”
Ab 1945 nahm sie an Gruppenausstelllungen teil; 1945 hatte sie ihre erste Einzelausstellung in der Bertha Schaefer Gallery in New York, die zweite Einzelausstellung folgte 1947 in der Norlyst Gallery in New York und 1949 die erste Ausstellung von bildhauerischen Werken in der Peridot Gallery, New York.
Als im Jahr 1951 ihr Vater starb, fiel sie in eine tiefe Depression und begann eine Psychoanalyse, die sie in den nächste dreißig Jahren fortsetzte.
In den folgenden Jahren wandte sie sich immer mehr der Skulptur zu, experimentierte in den 1960er Jahren mit unterschiedlichen Materialien, wie Gips, Latex, Harz. Ab den späten 1960er Jahren wandte sie sich verstärkt der Beschäftigung mit Marmor und Bronze zu.
In den 1970er Jahren unterstützte sie die feministische Kunstbewegung und nahm an Demonstrationen teil, beteiligte sich an Podiumsdiskussionen und Ausstellungen von Künstlerinnen. Selbst hat sie sich nicht als feministische Künstlerin verstanden, sondern ihre Kunst als Reflexion über existentielle Fragen auf der Grundlage eigener Erfahrungen bezeichnet.
Die Museum of Modern Art in New York 1982 durchgeführte Ausstellung Louise Bourgois: Retrospective” war die erste Retrospektive einer Bildhauerhauerin im Museum of Modern Art. Damit verbunden waren eine größere Anerkennung ihrer Kunst, nachfolgende internationale Ausstellungstätigkeit und zahlreiche Würdigungen und Auszeichnungen.
Mit den sogenannten “Zellen” schuf Louise Bourgeois ab den späten 1980er Jahren insgesamt 60 raumähnliche Gebilde mit Skulpturen und Objekten. 1993 vertrat Louise Bourgeois 1993 die Vereinigten Staaten von Amerika auf der 45. Biennale in Venedig, wo sie auch “Cell” (siehe nachstehendes Bild)) ausstellte. Ab 1994 schuf sie als Ergebnis einer sehr intensiven Aufarbeitung der Beziehung zu ihrer Mutter Spinnen-Skulpturen, deren bekannteste den Titel “Maman” trägt. Ein weiterer wesentlicher Schaffensbereich waren ihre druckgrafischen Arbeiten.
1999 wurde sie bei der 48. Biennale von Venedig mit dem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
“Ein wildes Verlangen nach Unabhängigkeit ist in meinem gesamten Werk präsent. Es findet sich in allen Figuren…eine Entschlossenheit zu überleben, wie brüchig auch immer die Ebene ist, auf der einem das gelingt.” (Louise Bourgeois)
Die Ausstellung ist noch bis 28. Jänner 2024 im Unteren Belvedere zu sehen!
Adresse: Unteres Belvedere, Rennweg 6, 1030 Wien https://www.belvedere.at/besuch/unteres-belvedere
Öffnungszeiten: täglich 10:00-18:00 Uhr
Katalog: Louise Bourgeois. Unbeirrbarer Widerstand. Hg. Stella Rollig, Sabine Fellner, Johanna Hofer. Verlag Buchhandlung Walther und Franz König, Köln 2023