Marija Prymatschenko

Marija Prymatschenko

Bilder als Symbole

Die Bedeutung von Kulturgütern eines Volkes wird besonders in Kriegszeiten verstärkt bewusst. Als Ausdruck einer Kultur eines Landes oder einer Region zu einer bestimmten Zeit sind sie von zentraler Bedeutung für die Identität und das Selbstverständnis eines Volkes. Damit bedeutet ein Angriff darauf nicht nur eine gezielte Vernichtung der Kulturgüter selbst, sondern auch die Zerstörung der kulturellen Existenz eines Volkes. Dies ist in allen Kolonialkriegen der Fall gewesen, und dies ist Gegenwart in der Ukraine.

Die Ukraine hat ein reiches kulturelles Erbe, aber die Künstlerin, die wohl am meisten geschätzt und geliebt wird, ist Marija Prymatschenko, eine Frau aus dem Volke, die den Holodomor (die große Hungersnot, ein Genocid am ukrainischen Volk durch Stalin) und zwei Diktaturen (Stalin und Hitler) überlebte und wie keine andere diesen Zeiten in über 800 Werken Ausdruck verliehen hat.

Denkmal für Marija Prymatschenko in Jagotyn.
c Bumbaka. https://en.wikipedia.org/wiki/
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Marija Prymatschenko wurde am 12. Jänner 1909 (nach dem julianischen Kalender wird das Geburtsdatum mit 30. Dezember 1908 angegeben), in Bolotnja in der Ukraine geboren (87 km nordöstlich von Kiew, 30 km von Tschernobyl entfernt und heute eines der umkämpftesten Kriegsgebiete). Sie besuchte vier Jahre die Schule, musste den Schulbesuch aber abbrechen, da sie an Kinderlähmung erkrankte, wodurch sie ihr ganzes Leben an einer Gehbehinderung litt. Schon als Kind begann sie zu zeichnen und zu malen. Sie brachte sich da Malen selbst bei, bemalte am Anfang das Haus ihrer Eltern. Von ihrer Mutter lernte sie das Sticken und wurde Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre Mitglied der Stickerei-Vereinigung in Iwankiw.

Durch ihre sehr künstlerischen Stickereien wurde Tetiana Floru auf sie aufmerksam, die sie im Jahr 1935 einlud, am Central Experimental Workshop des Kiewer Museums für ukrainische Kunst teilzunehmen. Durch ihre Teilnahme erhielt sie eine Ausbildung und konnte mit anderen KünstlerInnen in Kontakt treten.

Ihr Werk war beeinflusst von der ukrainischen Volkskunst und zeigte Blumen, Tierdarstellungen und Geschichten. In der ersten Ausstellung von Volkskunst wurde ihre Werke ausgestellt. Diese Ausstellung wurde in Moskau, Leningrad und Warschau gezeigt. Auf der Weltausstellung in Paris, wo ihr Werk ebenfalls ausgestellt wurde, erhielt sie dafür im Jahr 1937 eine Goldmedaille. Was in der Kunstgeschichte vielleicht mindestens so bedeutend ist, ist, dass ihr Werk von Künstlern wie Pablo Picasso und Marc Chagall gesehen und bewundert wurde. Marc Chagall wurde in seiner Arbeit durch ihre Tierdarstellungen beeinflusst, und Pablo Picasso hat ihr Werk mit den Worten “ich verneige mich vor diesem künstlerischen Wunder” gewürdigt.

Kiew hatte für ihr weiteres Leben nicht nur künstlerisch große Bedeutung, sondern auch persönlich. Sie konnte sich dort zwei Operationen unterziehen, die ihr ermöglichten, selbständig und ohne Hilfe von Krücken zu stehen. In Kiew lernte sie auch ihren Partner Vasyl Marynchuk kennen, 1941 wurde ihr Sohn Fedir geboren. Der Zweite Weltkrieg brachte auch für Marija Prymatschenko wesentliche Einschnitte. Ihr Bruder wurde von den Nationalsozialisten ermordet, ihr Partner, den sie vor seiner Einberufung nicht mehr heiraten konnte, ist im Krieg umgekommen. Sie kehrte nach Bolotnja zurück und arbeitete während und nach dem Krieg in einem landwirtschaftlichen Betrieb.

Ihre künstlerische Arbeit hat sie erst Ende der 1950er Jahre wieder fortgesetzt. In einer Weiterentwicklung begann sie nach den Stickereien und mit Wasserfarben gemalten Bildern auch Guachen zu machen. Ab den 1970er Jahren brachte sie kurze Anmerkungen zur Verdeutlichung des Inhalts auf der Rückseite ihrer Bilder an. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit gründete sie auch eine Schule, in der die Malunterricht für Kinder erteilt hat. 1959 wurde sie in die Vereinigung der ukrainischen Künstler aufgenommen, 1966 erhielt sie den Taras Schevchenko National-Preis der Ukraine. Besonders in den den 1960er Jahren hat sie mit ihrem Werk zum Aufbau eines neuen ukrainischen Nationalbewusstseins beigetragen. Marija Prymantschenko ist 1997 in Bolotnja gestorben.

Ihre Kunst wurde als naive Kunst bezeichnet, als Kunst einer Künstlerin, die keine formale Ausbildung erhalten hat. Ihr Werk war beeinflusst von der ukrainischen Volkskunst und zeigte Blumen, Tierdarstellungen und Geschichten. Vordergründig mag ihre Kunst nur dekorativ erscheinen, tatsächlich spiegelt sie die Abgründe und die Gewalttätigkeit der Zeit, in der sie lebte und arbeitete, wider. Einige ihrer Werke machen diese politische Dimension durch ihre Titel deutlich, wie beispielsweise Blumen für den Frieden (1965), Möge dieser Nuklearkrieg verflucht sein (1978), Unsere Armee, unsere Beschützer (1978) oder Meine Blumen für die, die den Frieden lieben (1983) und Ein Drache steigt auf die Ukraine herab (1987). Jonathan Jones hat das in einem Artikel im Guardian auf den Punkt gebracht: “Die Bilder, mit denen diese mutige Künstlerin auf sich aufmerksam gemacht hat, haben nichts Dekoratives oder Beruhigendes an sich. Ihre einsamen oder mörderischen Monster sind alles andere als eine unschuldige Wiederbelebung traditioneller Volkskunst, sondern existieren in einer von Gewalt vergifteten Natur. Dennoch kam sie ungeschoren davon – und wurde sogar offiziell gefördert, mitten in Stalins Terror, als Millionen wegen des geringsten Verdachts auf unabhängiges Denken getötet wurden. Vielleicht lag das daran, dass selbst paranoide Stalinisten nicht glaubten, dass eine Bäuerin eine Bedrohung darstellte.” (18.03.2022)(Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version))

Zu ihrem 100.Geburtstag im Jahre 2009 wurden von der ukrainischen Post Marken mit Motiven ihrer Bilder aufgelegt, von der Nationalbank der Ukraine eine Münze mit ihrem Bild und die UNESCO hat das Jahr 2009 zum Jahr der Marija Prymatschenko erklärt.

Briefmarke 2009 mit einem Bildmotiv von Marija Prymatschenko. Ukrainische Post. (Wikimedia Commons)

Links:

Kunstwerke von Marija Prymatschenko sind u.a. unter folgenden Links zu sehen:

119 Kunstwerke auf wikiart.org: http://Marija Prymatschenko – 119 Kunstwerke – Malerei (wikiart.org)

https://www.youtube.com/watch?v=LKxJqLYaSFA (14:30 Minuten)

https://www.youtube.com/watch?v=KrVaMXe6Jqw (16:40 Minuten)

Ukrainische Münze mit dem Bild von Marija Primatschenko. Nationalbank der Ukraine (Wikimedia Commons)
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