My Ullmann
Gelebter Kinetismus: Bilder, Bühne, Kunst am Bau
Der in vielen Kunstsparten tätigen Maria (My) Ullmann (1905-1995), einer der MitbegründerInnen und HauptvertreterInnen der Kunstrichtung des Kinetismus, ist im Museum für angewandte Kunst in Wien die erste Personale in Österreich gewidmet.
Unter dem Titel “My Ullmann. Gelebter Kinetismus: Bilder, Bühne, Kunst am Bau” zeigt das MAK die in Zusammenarbeit mit der Städtischen Wessenberg-Galerie Konstanz gestaltete Einzelausstellung im Kunstblättersaal. Zu sehen ist ein kleiner Ausschnitt aus ihrem umfangreichen Schaffen von ihren Anfängen bis zum Spätwerk. Dabei wird der künstlerischen Weg von My Ullmann in sechs Abschnitten über einen Zeitraum von über 40 Jahren nachgezeichnet.
Ihr umfangreiches Werk umfasst Bilder und Zeichnungen, Werbegrafiken, Bühnen- und Kostümbilder, Stoff- und Möbelentwürfe, Möbel, Entwürfe für künstlerische Raum- und Wandgestaltungen aus ihrem eigenen MY STUDIO für Innenraumgestaltung.
Maria Ullmann wurde 1905 in Wien geboren, wo sie die Volksschule und das Realgymnasium besuchte. Bereits mit 16 Jahren, 1921, entschied sie sich für eine Ausbildung an der Wiener Kunstgewerbeschule, wo sie Allgemeine und Ornamentale Formenlehre, Glasmalerei und Bildhauerei studierte. In der Klasse von Franz Čižek lernte sie den Kinetismus kennen, jene Kunstrichtung, die ihre weitere künstlerische Laufbahn wesentlich prägen sollte.
Der Kinetismus ist eine Kunstrichtung, die das Dargestellte in rhythmische Elemente zerlegt. Die Bewegung und die Darstellung von Bewegungsabfolgen bildet einen zentralen Bestandteil des Kunstwerks. Der Name wurde aus dem griechischen Wort kinesis, Bewegung, abgeleitet.
Entstanden ist diese Kunstrichtung durch den innovativen Unterricht des österreichischen Malers, Designers und Kunsterziehers Franz Čižek. Dieser unterrichtete an der Kunstgewerbeschule in Wien (der Vorläuferin der heutigen Universität für angewandte Kunst) und war auch Lehrer von My Ullmann. Er brachte seinen StudentInnen die damals aktuellen modernen Kunstströmungen Expressionismus, Kubismus, Futurismus und Abstraktion nahe. Vor allem aber förderte er seine StudentInnen durch neue Formen des Unterrichts, indem er Musik, Tanz und rhythmische Gymnastik in den Unterricht integrierte, ein Gefühl für Rhythmus und Bewegung vermittelte und die Darstellung von Gefühlsregungen durch spontanes und intuitives Zeichnen und Malen anregte.
Nach ihrem Ausscheiden aus der Kunstgewerbeschule 1925 lebte sie als freischaffende Künstlerin in Wien. In den folgenden Jahren gestaltete Textilentwürfe für Stoffe und Teppiche für die Firma Backhausen und arbeitete als Werbegrafikerin in Wien. Sie war eine der ersten weiblichen Mitglieder im Bund Österreichischer GebrauchsgrafikerInnen.
Danach folgte eine Zeit in der Schweiz, wo sie Kostümentwürfe und Werbegrafik für die Festspiele in Luzern und das das Stadttheater Zürich anfertigte. 1932 übersiedelte sie nach Berlin, wo sie als Werbegrafikerin und Lehrerin an der Berliner Textil- und Modeschule arbeitete. Ab Mitte der 1930er Jahre nahm sie ihre Tätigkeit als Kostüm – und Bühnenbildnerin an verschiedenen Theatern in Deutschland wieder auf.
Während der Kriegsjahre lebte sie mit ihrer Tochter und ihrem ersten Mann zurückgezogen im Norden Deutschlands. Nach ihrer Scheidung und Wiederverheiratung 1948 zieht sie mit ihrem zweiten Mann nach Bayern, wo ihr Sohn geboren wird.
Nach der Scheidung ihrer zweiten Ehe zieht sie 1959 nach Münster, arbeitet als Innenarchitektin und gründet 1960 MY STUDIO-Innenraumgestaltung. In den nächsten Jahren konzentriert sie sich auf den Bereich künstlerischer Raum- und Wandgestaltungen. Wesentlich für diese bis 1970 reichende Schaffensphase sind jene Werke, die sie für “Kunst am Bau” geschaffen hat. Es handelt sich dabei um großformatige Wandbilder, von denen heute leider meist nur mehr die Entwürfe existieren. Nach 1970 zieht sie sich zurück, 1975 geht My Ullmann nach Konstanz, wo sie 1995 stirbt.
Zentral für die Wiederentdeckung der lange Zeit in Vergessenheit geratenen Künstlerin waren die unermüdlichen Recherchen von Barbara Stark, Direktorin der Städtischen Wessenberg Galerie in Konstanz und die von der Kuratorin Katharina Pokorny-Nagel, Leiterin der MAK Bibliothek und der Kunstblättersammlung/ Archiv, durchgeführte Grundlagenforschung.
Mit dieser Ausstellung ist es ihnen gelungen, eine bedeutende Künstlerin vor dem Vergessen zu bewahren und ihr Werk einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.
Die Ausstellung ist im Museum für angewandte Kunst Wien im Kunstblättersaal noch bis 1. September 2024 zu sehen!
Adresse: MAK Museum für angewandte Kunst, Stubenring 5, 1010 Wien https://www.mak.at/besuch
Öffnungszeiten: Dienstag 10:00-21:00 Uhr, Mittwoch-Sonntag 10:00-18:00 Uhr
Katalog: MY ULLMANN. Bilder, Bühne, Kunst am Bau. Hg. von Barbara Stark und Lilli Hollein. Städtische Wessenberg-Galerie Konstanz und MAK – Museum für angewandte Kunst, Wien/Michael Imhof Verlag, Petersberg 2023.