Plattformarbeit
Digitale Plattformen und Gendergerechtigkeit
Automatisierung, d.h. die Ersetzung menschlicher Arbeit durch Maschinen, ist keine neue Erscheinung. Allerdings führen neue digitalen Technologien wie künstliche Intelligenz zu einer Erweiterung jener Aufgaben, die automatisiert werden können.
Ein Beispiel dafür ist das rasante Wachstum der digitalen Plattformwirtschaft. Unter Plattformarbeit versteht man Dienstleistungen, die entweder über das Internet angeboten und erbracht werden (z.B. Datenerfassung, Kategorisierung von Bildmaterial und Produkten, Buchhaltung, Kundenbetreuung, Design), oder über das Internet angeboten und an einem bestimmten Ort erbracht werden (z.B. Lieferservice, Botendienste, Vermietung, Putzdienste).
Bereits heute arbeiten in diesem Bereich arbeiten in der EU bereits mehr als 28 Millionen Menschen. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass sich die Anzahl der in diesem Bereich Beschäftigten in den nächsten zwei Jahren nochmals um rund 15 Millionen Menschen erhöhen wird.
Das hat nicht nur Auswirkungen für die Sicherung der ArbeitnehmerInnenrechte in diesem Bereich, sondern auch auf die Gleichstellung der Geschlechter durch die Fortschreibung von Rollenstereotypen. Derzeit zeigt sich auch hier die Lebenssituation der Frauen: mehr Frauen als Männer leisten deshalb Plattformarbeit, weil sie damit familiäre Verpflichtungen und Hausarbeit verbinden können; mangelnde Unterstützung bzw. fehlende Einrichtungen in den Bereichen Kindererziehung und Pflege führen zu einer verstärkten Nachfrage der dadurch belasteten Frauen nach scheinbar flexiblem Cloudworking. Besonders Frauen, die wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, sind bereit, geringeren Lohn zu akzeptieren. Auf der anderen Seite der Plattformwirtschaft üben hoch gebildete Frauen eher Tätigkeiten aus, die nicht ihrem Bildungsniveau entsprechen und längerfristig dequalifizierend sind.
Die Europäische Kommission arbeitet derzeit an einer gemeinsamen Rechtsvorschrift, die zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen für jene Personen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, beitragen soll. Dabei geht es um die Festlegung von Mindeststandards und Schutzbestimmungen, den Rechten der ArbeitnehmerInnen und Selbständigen, von Mindestlöhnen und Sozialleistungen. Ein wesentlicher Aspekt wird auch der Schutz im Hinblick auf “die Verwendung des algorithmischen Managements” sein. Dabei geht es um die Erhöhung der Transparenz bei der Nutzung von Algorithmen durch digitale Arbeitsplattformen im Hinblick auf die Art und Weise, wie die Zuteilung von Arbeitsaufträgen erfolgt, das Entgelt festgesetzt wird und die Überwachung erfolgt.
Neue Erkenntnisse des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) zeigen, dass künstliche Intelligenz und Plattformarbeit zwar das Potential haben, zu einer Verbesserung der Gleichstellung der Geschlechter in der Wirtschaft beizutragen, jedoch auch die Gefahr besteht, dass sie unsichere Arbeitsbedingungen und mangelnde soziale Absicherung verfestigen und Sexismus und Diskriminierung verstärken. Denn Algorithmen werden von Menschen auf der Grundlage von Vorgaben programmiert und können damit Vorurteile widerspiegeln, Geschlechterstereotypen aufrechterhalten, verfestigen und “einzementieren”.
Dabei geht es laut dem Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen um die Entwicklung und den Einsatz entsprechender Instrumente zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Stereotypen im Bereich des Einsatzes von künstlicher Intelligenz. Zusätzlich wird es auch einer Erhöhung des Frauenanteils bei den Beschäftigten im Bereich der digitalen Medien und in der Entwicklung von künstlicher Intelligenz bedürfen, denn derzeit sind nur 16 % als Fachkräfte im Bereich künstlicher Intelligenz Frauen. Dies soll durch die Förderung einer verstärkten Beteiligung von Frauen in den Ausbildungsfeldern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik sichergestellt werden.
Die Direktorin der EIGE, Frau Carlien Scheele, hat diese Bestrebungen so zusammengefasst: “Dies ist unsere Chance, die uralten Stereotypen, den Sexismus und die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt zu beseitigen und eine moderne Realität zu schaffen, die den Bedürfnissen von Frauen und Männern gleichermaßen gerecht wird.”
Links:
Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE): https://eige.europa.eu/
zum Weiterlesen:
Digitale Trends – Grundlagen (2021): http://Leitfaden für Trainerinnen und Trainer – Digitale Trends: AR, VR, KI
Gleichstellungsorientierte Gestaltung von Plattformarbeit Diskriminierungsrisiken, Chancen und Regulierungsansätze. Dokumentation eines Hearing der Sachverständigenkommission für den Dritten deutschen Gleichstellungsbericht (2020): https://www.dritter-gleichstellungsbericht.de/de/article/229.gleichstellungsorientierte-gestaltung-von-plattformarbeit-diskriminierungsrisiken-chancen-und-regulierungsans%C3%A4tze.html